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Weller

Weller

Titel: Weller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit
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Holter schüttelte den Kopf und kämpfte mit seinen Spare Ribs. Seine Lippen und Finger glänzten fettig.
    »Keine Spur. Die Zeugen sprechen von einer hoch gewachsenen Gestalt mit Baseballkappe und dunkler Kleidung, mit größter Wahrscheinlichkeit ein Mann. Selbst darin waren sie sich nicht einig. Der eine meinte, es könne durchaus auch eine Frau gewesen sein, wollte sich nicht festlegen. An das Moped können sich alle drei kaum erinnern. Es soll entweder schwarz sein oder dunkelblau, welcher Typ, welche Marke – dazu wussten sie überhaupt nichts zu sagen.« Er knabberte das Fleisch vom Knochen. Als langjähriger Polizist nahmen solche Verbrechen ihm schon lange nicht mehr den Appetit. »Bei der ätzenden Flüssigkeit handelt es sich, wie bei der Hausmann, um handelsübliche Autobatteriesäure. Also verläuft auch diese Spur im Sande. Die Tatumstände ähneln denen des Mordfalls Hausmann in so auffälliger Weise, dass wir von demselben Täter ausgehen. Und Quandt schweigt; den haben wir gleich wieder einkassiert.«
    Es war eine Sonderkommission namens   Säure   unter Leitung von Karsten Luckow gebildet worden, die sich ausschließlich mit den beiden, nun zusammengelegten Fällen beschäftigte. Dietmar als Urgestein der Wismarer Polizei gehörte zu meiner Freude der Truppe an. Er wischte sich die fettigen Finger ab und trank.
    »Der Luckow macht einen gehörigen Karrieresprung, wenn wir die Fälle lösen. Das würde ihm auch wirklich zustehen, denn er hat schon zweimal bei Beförderungen den Kürzeren gezogen.«
    »Wieso das denn? Hat er Neider oder ist er nicht gut genug?«
    »Weder noch, soweit ich weiß, ist es wahrscheinlich einfach Pech. Zur falschen Zeit nicht am richtigen Ort – irgend so etwas«
    »Er hat Ellen zu der Foto-CD befragt. Da fand ich ihn ein wenig zu schneidig; ganz so, als kaschiere er damit seine eigene Unsicherheit.« An meine zweite Begegnung mit dem Kommissar erinnerte ich mich nur ungern.
    »Kann sein, der ist ja noch jung, ich schätze, Mitte 30. Fürchtet wohl, seine Autorität zu verlieren, wenn er mal einen Witz macht oder locker ist.«
    Kaum hatte er aufgegessen, da rief Dietmar bereits den Kellner, um zu zahlen. Das war ungewöhnlich. Normalerweise ließ er es nicht bei einem Bier bewenden.
    »Ich muss los, Uwe. Wir werden uns gleich noch einmal Quandt vornehmen. Der dürfte bald weich gekocht sein. Immerhin hat er weder für den Hausmann-Mord noch für den Überfall am   Wonnemar   ein Alibi, will an beiden Abenden allein zuhause gesessen und Gitarre gespielt haben. Ein bisschen viel Klischee, meinst du nicht auch? Ein Klampfe spielender LKW-Fahrer. Fehlt nur noch der Cowboyhut und das Lagerfeuer.« Dietmar grunzte.
    »Was meinst du? Wird er gestehen?«
    »Im Falle des Mords können wir ihm nichts nachweisen. Der DNA-Abgleich war negativ. Die kriminaltechnischen Untersuchungen bezüglich des Überfalls laufen noch. Er leugnet standhaft. Was die Fotosache anbelangt, bleibt ihm aber wohl kaum etwas anderes übrig, als zuzugeben, dass er die Aufnahmen gemacht hat. Die Beweislage ist erdrückend. In seiner Wohnung haben wir entsprechendes Material gefunden, Speicherchips, Abzüge, den ganzen perversen Mist. Auch wenn er den Mord und den Überfall heute nicht gesteht, nageln wir ihn auf jeden Fall wegen der Voyeursache fest. Schätze, meine Chancen, noch vor Mitternacht nach Hause zu kommen, stehen gut.«
    Ich blieb noch eine Weile sitzen, trank erst einen, dann einen zweiten Espresso und hing meinen Gedanken nach. Noch nie in meinem Leben, nicht einmal in der Zeit, die der Scheidung von meiner ersten Frau vorangegangen war, hatten mich Erlebnisse so erschüttert wie jetzt. Die Gefahr, in der Ellen schwebte, meine fahrlässig eigennützige Fehlentscheidung Zorn gegenüber waren zu einem faserigen, knotigen Gefühlsball zusammengeschmolzen, hatten mich zu einem beklommenen, unglücklichen Zweifler werden lassen, voller Unrast und Schuldgefühle. Wenn nun wenigstens der Spannerfall zweifelsfrei gelöst wäre, bräuchte ich mir nicht mehr ständig Sorgen um Ellens Sicherheit zu machen, schien es doch beinahe so, als hätte die Foto-CD nichts mit dem Mord und der erneuten Säureattacke zu tun. Ich drückte der Sonderkommission die Daumen, dass der tragische Trucker gestehen würde, hoffte dabei insgeheim, er wäre sogar für alle in Frage kommenden Verbrechen verantwortlich. Mir fiel ein, dass ich ihm dann unter Umständen, so er überführt werden würde, irgendwann in meiner

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