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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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gesehen, und jetzt kam ich mit zwei sehr hübschen Mädchen zur Tür herein.
    Marci und Rachel winkten, lächelten und schwatzten mit mindestens einem Dutzend Schülern, als wir durch die Flure gingen, und ich folgte ihnen wie ein Schatten – ich versteckte mich nicht, beteiligte mich aber auch nicht an den Plaudereien. Anscheinend kannten sie jeden, und jeder kannte sie. Wahrscheinlich ist das so, wenn man beliebt ist, und hätte mich eigentlich nicht überraschen dürfen. Ich dagegen konnte eine ganze Woche zur Schule gehen, ohne auch nur ein Wort mit jemandem zu wechseln. Auch außerhalb der Schule redete ich nicht viel. Marci war das genaue Gegenteil, und dies in einem Ausmaß, das ich nie für möglich gehalten hätte. Es ging mir ein wenig auf die Nerven, und vor allem war es anstrengend. Es war viel einfacher, ein Außenseiter zu sein.
    Mr Verners Raum war wie immer. Ich glaube, er hatte seit den Neunzigerjahren keine neuen Poster mehr aufgehängt, wenn überhaupt. Bei einem Sozialkundelehrer kam mir das etwas seltsam vor. Hätte er nicht besser auf dem Laufenden sein sollen? Die Tür befand sich hinten im Raum, und Marci marschierte sofort zur gegenüberliegenden Wand, um den Platz in der Ecke zu besetzen. Rachel ließ sich vor ihr nieder, deshalb entschied ich mich widerstrebend für den Platz neben Marci in der letzten Reihe. Es ist schwer zu erklären, warum ich mich so seltsam fühlte – es lag nicht daran, dass Marci so beliebt und hübsch war, sondern hatte wohl eher damit zu tun, dass ich sonst mit kaum jemandem Kontakt pflegte. Ständig hatte ich das Gefühl, ich hätte irgendetwas vergessen oder ich müsse irgendetwas tun oder sagen, wusste jedoch nicht, was es war. Mir fiel nichts ein, also setzte ich mich wortlos.
    »Die nächste Stunde habe ich bei Mr Coleman«, erklärte Marci. »Kotz. Weißt du, wie oft er mir ins Shirt gelinst hat?«
    »Dann zieh doch was anderes an«, sagte Rachel. »Bei so einem Shirt käme ich auch in Versuchung, ein Auge zu riskieren.«
    »Er ist Lehrer«, widersprach Marci. »Das ist absolut widerlich.«
    »Du kannst ihn ja melden.« Ich warf einen kurzen Blick auf ihren Oberkörper und wandte rasch den Blick ab. Die Regel, keine Mädchen anzustarren, hatte ich aufgegeben, doch sie war so tief verwurzelt, dass ich ihr Shirt bisher noch nicht zur Kenntnis genommen, sondern den Anblick sogar absichtlich gemieden hatte. Es war ein enges Tanktop, so schwarz wie ihr Haar und mit einem grünen Blättermuster verziert, das ihre Rundungen optimal zur Geltung brachte. Sie war wirklich ein prachtvoller Anblick …
    Auf einmal dachte ich an Brooke. Das war doch wirklich verrückt.
    »Letztes Jahr hätte ich ihn tatsächlich beinahe gemeldet«, erklärte Marci. »Aber dann hat mich der Vertrauenslehrer angestarrt, als ich in seinem Büro war, und ich hab’s aufgegeben. Ich habe nichts gegen etwas Aufmerksamkeit, aber ich staune doch, wie dreist manche Leute glotzen.«
    Zwei weitere Mädchen betraten schwatzend das Klassenzimmer, ohne auf uns zu achten. Ich blickte Marci unverwandt in die Augen, die so grün waren wie die Ranken.
    »Gib nicht so leicht auf«, sagte ich. »Wir tragen …« Ich hatte nur eine blasse Ahnung, was ich sagen wollte und wie ich es sagen wollte: Wir tragen Verantwortung und müssen die Menschen davon abhalten, Schlimmes zu tun. Warum war das so schwer auszusprechen? Alle, mit denen ich zu tun hatte, waren so selbstzufrieden. Waren die Menschen schon immer so gewesen, und ich bemerkte es erst jetzt?
    »Was tragen wir?«, fragte Marci.
    »Wir tragen …« Wollte sie wirklich darüber reden? Den meisten Menschen war es gleichgültig, was ich tat, und gewöhnlich bemerkte ich das erst, wenn ich etwas Beleidigendes, Langweiliges oder Schockierendes von mir gegeben hatte. Ich ließ den Blick durchs Klassenzimmer wandern. Denk nach, John, sagte ich mir. Finde ein passendes Gesprächsthema. Reden ist leicht. Die Menschen tun es jeden Tag. Ich betrachtete die beiden, die nach uns gekommen waren, Kristen und Ashley, und deutete auf sie. »Da haben wir unsere ersten beiden Wettkämpfer. Meinst du, eine von denen wird heute als Erste schwänzen?«
    Aus den Augenwinkeln spähte Marci zu mir herüber und beantwortete meine Frage nicht. Was dachte sie?
    Rachel schüttelte lachend den Kopf. »Kristen wird auf keinen Fall die Erste sein«, sagte sie. »Musterschüler machen nicht blau.«
    »Doch, sie machen die ganze Zeit blau«, widersprach Marci. »Ich hatte in der

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