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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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drauf war, wenn er erfuhr, dass wir über den Handlanger redeten?
    »Wir reden über den Handlanger«, sagte Marci.
    »Cool«, entgegnete er.
    Damit war die Frage beantwortet.
    »Wir stellen Nachforschungen an«, erklärte Marci und seufzte schwer und unaufrichtig. »Nur ein kleines Täterprofil, nichts Weltbewegendes.«
    Ihr Dad lachte. »Tja, da ist John genau der Richtige. Reichlich Erfahrung mit Irren, was?«
    Das war sicher nicht böse gemeint – er hatte ja keine Ahnung, dass ich gleichfalls ein bisschen irre war.
    Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Was habt ihr denn bisher herausgefunden?«
    Marci warf mir einen raschen Blick zu und wandte sich wieder an ihren Dad. »Arbeitest du eigentlich mit den Profilern zusammen, die sich um den Fall kümmern?«
    »Überhaupt nicht«, erwiderte er. »Mit dem Handlanger habe ich nur am Rande zu tun.«
    »Tja«, sagte sie, »wir haben etwas herausgefunden, das kannst du vielleicht weitergeben.« Wieder warf sie mir einen Blick zu. Warum tat sie das? »Wir wissen zum Beispiel, dass die Morde sie wütend machen.«
    Deshalb sah sie mich dauernd von der Seite an. Sie erzählte es ihm, obwohl ich es noch geheim halten wollte. Ich ließ mir nichts anmerken. Erzählte sie es ihm, weil sie mir nicht traute, oder nur deshalb, weil sie die Gründe für die Geheimhaltung nicht verstand? Meinen Plan durfte ich ihr sowieso nicht anvertrauen: die Mörderin selbst aufzustöbern und sie an weiteren Taten zu hindern. Falls die Polizei und das FBI dieselben Spuren verfolgten, erschwerten sie damit erheblich die Durchführung meines Plans.
    »Sie?«, fragte Officer Jensen. »Glaubst du, wir haben es mit einem weiblichen Täter zu tun?«
    So ein Mist, sie verrät ihm alles.
    »Das ist auch so ein Punkt.« Marci nickte. »Wir sind ziemlich sicher, dass es eine Frau ist.«
    »Eine Frau, die wütend wird, wenn sie tötet, und es trotzdem tut«, wiederholte er. »Interessant.« Er lächelte leicht und sprach sofort weiter. »Was habt ihr denn über die Hände herausgefunden?«
    Das Lächeln hatte etwas zu bedeuten. Er wusste irgendetwas. Die Polizei hatte Informationen über die Hände, die sie nicht publik gemacht hatte, oder – noch wahrscheinlicher – sogar neue Hinweise, die gerade erst eingegangen waren. Falls es ein Geheimnis gewesen wäre, hätte er die Hände allerdings nicht erwähnt. Würde er uns wirklich alles erzählen? Ich musste mir die nächsten Worte sorgfältig zurechtlegen.
    Was aber konnte ich sagen, wenn die einzig richtige Antwort lautete: Die Mörderin ist eine Dämonin, die die gestohlenen Hände für bisher noch unbekannte übernatürliche Zwecke benutzt?
    Langsam und vorsichtig antwortete ich ihm. »Die Mörderin entfernt die Hände und die Zunge sehr sorgfältig, mit geradezu chirurgischer Präzision. Dies geschieht wahrscheinlich nach dem Wutanfall, der mit der eigentlichen Tötung zusammenfällt, denn während sie die Opfer verstümmelt, ist sie offensichtlich sehr ruhig. Sie entfernt die Hände mit einem Beil, mit einem einzigen Schlag pro Hand, und die Zunge … ich würde sagen, da benutzt sie ein Skalpell.«
    »Was tut er – oder sie, wie ihr meint – anschließend damit?«
    »Die meisten Serienkiller behalten Erinnerungsstücke an ihre Morde.« Ich legte mir eine plausible Lüge zurecht. »Sie erinnern sich gern an die Taten, nehmen Monate später ein Schmuckstück oder einen Führerschein in die Hand und erleben das Verbrechen noch einmal. Körperteile halten sich nicht so lange, vor allem weiches Gewebe wie die Zunge nicht. Also ist es statistisch gesehen wahrscheinlicher, dass der Handlanger sie isst.«
    »Widerlich«, bemerkte Marci.
    In Wirklichkeit war ich sicher, dass diese Annahme in jenem Fall nicht zutraf. Wenn die Dämonin nur nach Essen gesucht hätte, dann wäre sie nicht so gewissenhaft damit umgegangen. Die Körperteile mussten einem anderen Zweck dienen. Wenn ich aber Officer Jensen eine falsche Antwort gab, klärte er mich vielleicht über meinen Irrtum auf und verriet mir als natürliche menschliche Reaktion sein wahres Wissen. Ich konnte nur hoffen, dass es funktionierte.
    »Das ist die einzig mögliche Erklärung, die auf früheren Beispielen beruht«, fuhr ich fort. »Jeffrey Dahmer, Ed Gein, Albert Fish. Serienmörder, die Körperteile mitnehmen, sind oft Kannibalen. Gewöhnlich jedenfalls. Es gibt ein paar, über die wir nicht viel wissen, wie etwa Charles Albright. Es ist bis heute nicht bekannt, was er mit den

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