Wells, ich will dich nicht töten
genau, wer es ist. Irgendjemand in dieser Stadt hat etwas getan und mich damit sehr wütend gemacht, und ich bin gekommen, um ihn zu suchen.«
»Was hat diese … diese geheimnisvolle Person denn getan, dass du so wütend bist?«
Was glaubte er wohl? »Das betrifft Sie jetzt nicht«, antwortete ich vorsichtig. »Ich weiß, dass er existiert, weiter nichts.«
»Warum tötest du?«, fragte er.
»Sagen Sie’s mir.«
»Du …« Wieder dachte er nach. »Du sendest eine Botschaft. Die Menschen, die du tötest, und die Art und Weise, wie du sie tötest – es sind Botschaften an den Mann, den du suchst. Irgendwie verkörpern sie etwas, das dich dermaßen in Zorn versetzt, dass du herkommst und ihn finden willst.«
»Das ist gut.« Ich nickte. »Vergessen Sie aber nicht, dass ich in Georgia acht Menschen getötet habe, bevor ich hierherkam, und es war immer die gleiche Methode.«
»Wenn die Morde Botschaften sind«, fuhr der Pfarrer fort, »dann hinterlässt du hier – wenn du denn der Killer sein willst – die gleichen Botschaften wie zuvor.«
Interessant, dachte ich. Wenn die gegenwärtigen Botschaften an einen Dämonenjäger gerichtet waren – an mich –, hatten die Botschaften in Georgia dann einem anderen Dämonenjäger gegolten? Wahrscheinlich waren die Dämonen schon sehr lange unterwegs. Ich war bestimmt nicht der erste Mensch, der etwas über sie herausgefunden hatte.
»Wollen Sie damit sagen, dass die fehlenden Hände und Zungen Drohungen sind?«, spann ich den Gedanken weiter.
»Sind sie das?«
»Es scheint einleuchtend«, räumte ich ein. »Ungefähr so: Das werde ich dir auch antun, sobald ich dich finde.«
»Reden wir immer noch über dich?«
»Würde Sie das ein wenig beruhigen?«
»Ich bin so oder so beunruhigt.«
»Dann ist es gleichgültig«, erwiderte ich. »Reden Sie einfach weiter. Wenn die verstümmelten Leichen Drohungen sind, welchen Grund gibt es dann, bei zehn Leichen die Augen unberührt zu lassen und sie bei der elften Leiche zu verstümmeln?«
»Was genau ist mit den Augen geschehen?«, fragte der Priester. »Davon wurde in den Nachrichten nichts erwähnt.« Auf einmal hielt er inne und sprach sehr leise weiter. »Woher weißt du das mit den Augen?«
»Ich bin der Handlanger.«
»Der bist du nicht, aber du bist … ein anderer … Was willst du mir erzählen?«
»Halten Sie mich für gefährlich?«
»Du bist ganz sicher gefährlich.«
»Für Sie?«
Er überlegte und betrachtete mich mit zusammengekniffenen Augen. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf. »Nur wenn du glaubst, ich sei derjenige, den du suchst.«
»Der Dämon sucht jemanden, nicht ich.«
»Du suchst den Dämon oder wen auch immer, und wenn du den Betreffenden gefunden hast, dann gnade ihm Gott. Du weißt genau, was du willst, das muss ich dir lassen. Du kommst mir vor wie eine geladene Waffe, angelegt und aufs Ziel ausgerichtet, und sobald die Zielperson in Sichtweite gerät, wirst du sie vernichten.« Er beugte sich vor. »Ich bitte dich: Sei vorsichtig, wenn du das Ziel anvisierst. Wenn du dich irrst, dann zerstörst du damit auch dich selbst.«
Ich dachte an Marci, die wehrlos auf dem Bett gelegen hatte, und an Brooke, die an Formans Tisch gekettet gewesen war. An meine Mutter, die vor meinem Messer zurückgewichen war, an hundert Mütter, die ihre Telefone an die Wand geschmettert und gekreischt hatten, ich solle sie nicht mehr anrufen, um sich dann mit ihren Kindern verängstigt im Dunkeln zusammenzukauern.
»Dann helfen Sie mir«, flüsterte ich. »Ich schaffe es nicht allein.«
»Du könntest damit aufhören.«
Ich schloss die Augen. »Ich kann nicht aufhören«, stöhnte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Wenn ich aufhöre, macht sie weiter. Entweder sie stirbt, oder wir müssen alle sterben. Warum erkennt das denn niemand?«
»Ärgert dich aber dein rechtes Auge …«, flüsterte er.
Dein Auge. »Was?«, fragte ich aufgeregt.
»Ein Bibelvers«, erläuterte er. »Ärgert dich aber dein rechtes Auge, so reiß es aus und wirf’s von dir. Matthäus fünf, Vers neunundzwanzig.«
Das ist wichtig, dachte ich. »Reden Sie weiter.«
»Es ist eine Metapher«, erklärte er. »Es ist dir besser, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.«
Schweigend dachte ich darüber nach. »Das bedeutet, ein Teil kann das Ganze verderben, also ist es besser, diesen Teil zu beseitigen, damit nicht alles verloren ist.«
»Genau«, stimmte er zu.
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