Wells, ich will dich nicht töten
mal. Dämonen sollen vertrieben und nicht getötet werden. Das ist ein sehr langwieriger Prozess, bei dem man umsichtig vorgehen muss, um den menschlichen Wirt zu schützen.«
»Wollen Sie den Betreffenden exorzieren?«
»Nein, das will ich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht dazu ausgebildet und auch nicht überzeugt, dass es überhaupt nötig ist. Ich will vor allem darauf hinaus, dass derjenige, den du für einen Dämon hältst, ein ganz gewöhnlicher Mensch ist, genau wie du und ich, und dass überhaupt nichts Übernatürliches passiert.«
Ich lachte trocken, als ich mich an Forman erinnerte, der zu Asche zerschmolzen war. »In dieser Hinsicht müssen Sie mir einfach vertrauen.«
»Wie sollte ich dir vertrauen?«, antwortete er. »Ich kenne dich seit einer halben Stunde. Du hast deinen Nachnamen nicht preisgegeben, und der Vorname, den du angegeben hast, könnte ebenso gut falsch sein. Du kommst herein, redest darüber, Dämonen zu jagen, und ich habe keine Möglichkeit zu überprüfen, ob es dein Ernst ist, ob du dir einen Scherz erlaubst oder ob du völlig gestört bist.«
»Ich brauche Ihre Hilfe …«
»Einverstanden«, sagte er. »Allerdings glaube ich, dass wir über ganz unterschiedliche Arten von Hilfe reden.«
Wir starrten einander an, schweigend und aufgewühlt. Ich kochte vor Wut. Warum konnte er nicht einfach meine Fragen beantworten? Er hielt die Armlehnen seines Sessels fest umklammert, die Knöchel traten weiß hervor, und die Arme zitterten leicht. Da wurde mir klar, dass er Angst hatte. Er hielt mich tatsächlich für gefährlich. Obwohl er allein war und sich nicht hätte verteidigen können, stellte er sich mir. Wäre ich so gefährlich gewesen, wie er vermutete, dann hätte ich ihn auf der Stelle umbringen können.
Vielleicht hätte ich es auch tun sollen. Vielleicht war er der Dämon.
Noch während ich solchen Gedanken nachhing, wurde mir klar, wie dumm das war. Er war auf keinen Fall der Dämon. So wenig wie Marci. Ich suchte verzweifelt nach einer Lösung, ich wollte die Jagd beenden und endlich töten. Inzwischen entdeckte ich in allen dunklen Ecken, in allen Gesichtern und hinter jedem Augenpaar einen Dämon.
Augen. Die Augen hatten eine Bedeutung. Wenn eine Mörderin die Methoden verändert, dann hat das immer eine Bedeutung. Pfarrer Erikson wollte mir jedoch nicht helfen, es zu begreifen. Niemand wollte mir helfen, der Dämonin Einhalt zu gebieten. Alle wollten mich immer nur vor mir selbst retten. Aber ich stellte doch gar nicht die größte Gefahr dar!
Doch … genau das dachte der Pfarrer, und er kannte meinen Namen nicht.
Das konnte ich ausnutzen.
So war es auch bei meinem früheren Therapeuten Dr. Neblin gelaufen. Wir hatten über Mörder gesprochen und auf einmal doch wieder nur über mich. Max und Marci interessierten sich für solche Themen, doch die Erwachsenen nahmen immer an, ich würde über mich selbst reden. Die Szenarien, die ich entwickelte, waren in ihren Augen verzerrte Metaphern für meine eigenen Gefühle. Neblin, der Geistliche, meine Mutter … alle wollten mir auf ihre Art helfen. Nun gut, dann sollten sie es auch tun.
»Nehmen wir mal an, ich bin so gefährlich, wie Sie befürchten.« Ich beugte mich vor. Ich musste ihn beeindrucken. Auch wenn er nur redete, um Zeit zu gewinnen, immerhin redete er. »Nehmen wir für einen Augenblick an, ich sei der Handlanger.«
»Ich glaube nicht, dass du der Handlanger bist.«
»Nehmen wir an, ich sei der Handlanger«, beharrte ich. »Dann würde die Frage lauten: Was wollen Sie mir sagen?«
Er machte große Augen. »Was?«
»Ich habe gerade drei Menschen getötet. Warum?«
»Ich … das weiß ich nicht.«
»Ich habe soeben einem Mann die Augen herausgeschnitten, was bisher noch nie vorkam. Warum habe ich es getan?«
»Warum stellst du mir diese Fragen?«
»Sie haben gesagt, Sie wollen mir helfen, also helfen Sie mir. Analysieren Sie mich. Spenden Sie mir weise Ratschläge aus der Bibel.« Ich ballte die Hände zu Fäusten und beherrschte mich mit äußerster Mühe. »Ein Serienmörder bittet um Ihre Hilfe, verdammt. Helfen Sie ihm!«
»Ich …« Er hielt inne. »Du musst mir mehr erzählen.«
»Worüber?«
»Wenn du ein Killer bist, warum bist du dann hier?«
»Hier in Ihrem Haus?«
»In Clayton.«
Ich nickte. Das war eine gute Frage. Vielleicht funktionierte es ja wirklich. »Ich suche jemanden.«
Er schluckte. »Jemand Bestimmten?«
»Ja«, sagte ich, »aber ich weiß nicht
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