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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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konnte. Mir wurde nicht übel, mir stieg keine Galle hoch. Solche Phantasien waren falsch, das wusste ich, aber ich hatte kein mieses Gefühl dabei. So hatte ich früher viel öfter gedacht, bevor ich die Kontrolle über mich selbst gewonnen hatte.
    Die alten Gedanken und Gewohnheiten pirschten sich der Reihe nach an. Die dunkle Seite, der Teil in mir, den ich Mr Monster genannt hatte, erwachte zum Leben. Die wütende Auseinandersetzung mit meiner Mutter, mein paranoides Misstrauen Marci gegenüber, eines Abends der Drang, sie in ihrem Zimmer zu töten. Alles war wieder da. Warum? Reichte es nicht, dass ich eine Dämonin jagte? Reichte es nicht, dass ich sie töten wollte?
    Natürlich nicht, flüsterte ich lautlos. Ich wollte nicht über das Töten nachdenken, ich wollte richtig töten. Ich war ein Tatmensch, und es würde mir nie reichen, nur darüber nachzudenken.
    Es wurde dunkel um mich, und mir wurde heiß. Ich sollte nicht hier sein, dachte ich. Ich musste eine Dämonin fangen, und nun verschwendete ich meine Zeit und brachte andere in Gefahr. Ein blödes Dinner vor einem blöden Ball. Ich war ein Idiot, ich war ein Trottel. Untätig saß ich herum, während Niemand uns böse Lektionen erteilte und eine Fährte des Todes hinterließ. Ich musste handeln. Ich musste sie finden und aufhalten, ich musste sie töten. Nur so konnte ich ihr Einhalt gebieten.
    Aber was dann? Wer wäre nach Niemand der Nächste, und wie viele Menschen müssten sterben, bevor ich ihn fände?
    Ich schob den Teller von mir weg.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Marci.
    »Ich glaube, ich kann das nicht essen.« Eigentlich ertrug ich nicht einmal den Anblick. Ich winkte einem Kellner. »Können Sie das zurücknehmen?«
    »Gibt es ein Problem damit, Sir?«
    Wenn ich anderen die Schuld gab, vermied ich peinliche Fragen. »Ja«, sagte ich. »Ich habe es medium bestellt, aber das hier ist noch fast roh.«
    »Natürlich, Sir. Der Koch wird sofort ein neues Steak zubereiten.«
    Ich blickte zu Marci hinüber. »Eigentlich sieht das da auch ganz gut aus. Könnte ich stattdessen einen Salat bekommen?«
    »Aber natürlich, Sir. Möchten Sie gegrilltes Hähnchenfilet dazu?«
    »Nein danke«, sagte ich. »Kein Fleisch, bitte.«
     

VIERZEHN
     
    Der Homecoming-Ball fand im Rathaus statt. Es war ein offener großer Raum mit Marmorboden, und vor den Wänden standen geschnitzte Holzsäulen. Im Grunde war der Saal für so viele Besucher zu klein, doch eine Ausweichmöglichkeit gab es nicht. Wann immer die Stadt einen größeren Raum als den Rathaussaal brauchte, benutzte sie die Turnhalle der Highschool, doch dort wollte niemand ein solches Fest abhalten. Also drängelten sich die Schüler hinein, hüpften und zappelten im Takt der Musik und zogen sich nach draußen in die kühle Dunkelheit zurück, wenn es ihnen drinnen zu laut, zu chaotisch und zu heiß wurde.
    Marci nahm mich an der Hand und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Gleich danach verloren wir Brad und Rachel aus den Augen. Ich hielt ihre Hand fest und folgte ihr, während ich mich stumm bei allen entschuldigte, die wir unterwegs anrempelten. Fast alle lächelten und winkten Marci zu, worauf ein höfliches, an mich gerichtetes Nicken folgte. Man hatte sich daran gewöhnt, uns zusammen zu sehen, aber das hieß noch längst nicht, dass man mit uns umzugehen wusste. Für meine Mitschüler war ich immer noch der verrückte Bursche, der über dem Bestattungsunternehmen wohnte.
    Als wir die Raummitte erreicht hatten, wandte Marci sich um, stieß einen fröhlichen Ruf aus und begann zu tanzen. Ich gab mir Mühe, ihrem Beispiel zu folgen, wobei allerdings nicht viel mehr als ein Schaukeln von einem Fuß auf den anderen herauskam. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich nie im Leben ein guter Tänzer werden würde. Außerdem war ich der Ansicht, dass alle Folterungen, die ich in Agent Formans Todeshaus erlebt hatte, nicht so schlimm waren wie ein Highschool-Ball.
    Lachend zeigte mir Marci, was ich tun sollte, und lachte noch lauter, als es mir nicht gelang. Ein empathischer Mensch hätte wahrscheinlich gesagt: Wenigstens hat sie ihren Spaß. Ich aber wäre am liebsten auf der Stelle weggerannt. Glücklicherweise war der Song bald zu Ende, und wir hörten auf zu tanzen. Die Menge stieß begeisterte Rufe aus, und dann begann das nächste Stück, ein langsamer Blues. Marci trat dicht an mich heran, schlang mir die Arme um die Schultern und wiegte sich leicht hin und her.
    »Weißt du«, sagte sie, »das

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