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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nach Hause gekommen und begrüßte die Gäste. Er war als Verkäufer in einem Souvenir-Geschäft angestellt, da es aber in der winterlichen Jahreszeit wenig Kunden gab, saß er während der Arbeitszeit im Laden und schnitzte. Das Leben war teuer.
    »Was können wir noch unternehmen?« fragte Ken.
    »Das Native Center ist schon offen«, informierte der Eskimovater.
    Ken, Martell und Hugh machten sich für den Gang durch Dunkelheit und Winter bereit. Martell führte. Das Center lag in einem anderen Vorort. Die Luft war so kalt, daß sich die Lungen sträubten, sie aufzunehmen. Martell besaß keinen Wagen, wie es selbst bei sehr armen Präriebewohnern selbstverständlich war; das Leben spielte sich in der Stadt ab, nicht außerhalb. Er ging mit seinen Freunden zu Fuß, der Weg führte auch durch das Bar-Viertel. Junge Soldaten und andere junge Burschen schlüpften da und dort hinein. Ein hell gelassener Ausschnitt eines schwarz gefärbten großen Fensters übte offenbar die stärkste Anziehungskraft aus. Er gab den Blick in den erleuchteten Innenraum frei, in dem sich vor den Augen des um die kleine Bühne eng gedrängten Männerpublikums eine junge schöngebaute Frau ausgezogen hatte. Die Frau war eine blonde Weiße.
    Martell, Hugh und Ken gingen vorbei.
    Martell öffnete die Tür einer anderen, nach außen völlig verdunkelten Bar, kam aber gleich wieder heraus und setzte den Weg mit seinen beiden Freunden zusammen fort. Einmal blieb er vor einem niedrigen Haus stehen und schaute in ein Seitenfenster hinein, hinter dem eine Stehlampe leuchtete. Ein freundliches, braunhäutiges Mädchengesicht mit Mandelaugen erschien, und das Mädchen versprach, in das Center nachzukommen. Sogleich mitgehen – nein, das wollte sie nicht.
    Hugh band seinen Schal vor Mund und Nase. Der Wind machte die Kälte in den Atmungsorganen noch angreifender fühlbar und hatte in dem Vorort, in den die drei Freunde nun gelangten, freiere Bahn als im Zentrum. Die drei erreichten ein einstöckiges einfaches Holzhaus mit einem einzigen relativ großen Raum, der durch Öfen geheizt war. Ken, Hugh und Martell traten ein. Hinter einem barriereartigen Tisch saß die einzige Weiße, angestellte Organisatorin des Center. Auf den Bänken hatten sich Eskimos niedergelassen, ältere Männer in einer Gruppe, in der anderen junge Leute, vornehmlich Mädchen, auch ein paar Burschen. Frauen waren kaum gekommen. An einer Wand hingen Zeitungen, die sich jedermann zum Lesen holen konnte; auch ein paar Bücher waren zu haben. Speisen oder Getränke gab es nicht; das Center hatte keine Schankerlaubnis.
    In der Gruppe der jungen Leute hatte einer eine Gitarre dabei und stimmte sie. Martell, Ken und Hugh hatten sich miteinander auf eine Wandbank gesetzt; sie wurden unauffällig beobachtet und blieben für sich, bis zwei Freunde Martells kamen und ihn, Ken und Hug in den Kreis der jungen Leute zogen. Der Gitarrenspieler bekam Lust zu beginnen. Er spielte Volksmelodien und Schlager, wie es ihm gerade einfiel. Zwei Mädchen und zwei Burschen fingen an zu tanzen, und Ken duldete es auch nicht länger; er ließ sich durch Martell mit einem Mädchen und ihrem Bruder bekannt machen und tanzte mit ihr einen temperamentvollen Shake.
    Der Raum wurde wärmer und heimeliger, je mehr Menschen aus der Winternacht hereinstapften, je enger man beieinander saß, je dichter die Tanzpaare sich nebeneinander bewegten. Beim Türöffnen kam jedesmal der bitterkalte frische Luftzug mit herein.
    Hugh und Martell blieben beieinander sitzen und schauten allem zu. Mahan war still und zeigte keinerlei Unruhe. Auch Martell konnte nicht wissen, ob Hugh Wasescha jetzt an Magasapa Martin dachte, die man vor ihm verbergen wollte. Gegen Mitternacht machten sich die drei auf den Heimweg; das Center leerte sich. Sowenig wie Hugh seine Gedanken verriet, sowenig ließ Martell seine Enttäuschung darüber merken, daß das Mädchen, das er zu seinem Mädchen machen wollte, nicht gekommen war. Er blieb aber auf dem Heimweg wieder bei ihrem Haus stehen, sang eine leise Melodie und schaute in das Fenster hinein. Der Raum dahinter war dunkel und blieb dunkel. In der Hütte von Martells Eltern fanden die drei wieder ihr Nachtquartier. Hugh hatte einige Dosen Ölsardinen eingekauft, und jeder aß noch eine leer.
    Am folgenden Tag, einem Sonnabend, wirkte Mahan beim Morgentee weder heiter noch trüb gestimmt; es ging eine klare, schwer ansprechbare Ruhe von ihm aus. Martell betrachtete ihn ein paarmal von der Seite

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