Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
Helle und Nachtschatten äffend.
Im Gegendruck von Motorkraft und Sturm hing das Flugzeug über dem Boden, setzte sanft auf und wurde auf der glatten Fläche langsam rückwärts getrieben. Der Pilot riß es zweimal herum. Endlich hielt es.
»Verdammt«, sagte Lowell, »aber nun haben wir es.«
Er holte unter den Sitzen eine Anzahl Schneereifen hervor, öffnete die Tür, sprang hinaus und winkte den anderen, ihm zu folgen.
Als alle beieinander standen, mit dem Rücken gegen den Wind, den Kopf gesenkt, die Schultern eingezogen, schlug Lowell vor:
»Jetzt zu Fuß! Wir sind dicht bei Fairbanks, nicht mehr als fünf Stunden, schätze ich. Kenne die Gegend. Du kennst sie auch, Martell. Wir finden Deckung. Mein Flugzeug steht jetzt ganz gut.«
»Gehen wir«, sagte Martell nur.
Alle schlüpften in die Schlaufen der Schneereifen.
Lowell nahm die Spitze, Martell machte den Beschluß. Die Männer schlitterten, den Wind im Rücken, an den Rand der Eisfläche und verkrümelten sich vor der Sturmgewalt hinter kleineren Schneebarrieren.
Schritt für Schritt tappten sie auf den Reifen weiter, auf Umwegen, um Windschutz zu finden. Lowell und Martell waren das Gehen mit Reifen gewohnt; auch Hugh hatte es als Kind in der Prärie gelernt. Ken stammte aus dem Osten des Landes und mußte diese Art der Fortbewegung zum erstenmal versuchen. Für ihn war der Marsch besonders mühselig. Aber er gab nicht nach.
Allmählich ging der Sturm auf mäßigere Stärke zurück. Die Sterne verblaßten, der Mond war schon geschwunden. Der Schnee senkte sich in Schleiern und wurde lichter im Morgendämmer. Hin und wieder berieten sich Lowell und Martell durch Zurufe über die zweckmäßigste Wegstrecke.
Die Männer waren übernächtig, müde und ausgekühlt. Der Schnee saß ihnen auf den Kopfbedeckungen, vor der Brust, an den Knien und schmolz in ihrem Gesicht. Der Atem gefror. Die Temperatur war auf 72° Fahrenheit unter den Gefrierpunkt abgesunken; das sagte den Wanderern kein Thermometer, doch sie spürten die Eiskälte.
Die Männer hatten unterwegs kein unnötiges Wort miteinander gesprochen, aber der gemeinsame stumme Kampf gegen Kälte und Schnee hatte sie auch ihrem Piloten Lowell nähergebracht.
Die Vorortsiedlungen der Stadt gelangten im Schneefall erst in Sicht, als die vier schon unmittelbar an sie herangekommen waren.
Man machte halt.
»Da sind wir«, sagte der Pilot.
»Und wenn wir Sie für den Rückflug oder einen Weiterflug brauchen?« fragte Hugh.
Lowell wurde sichtlich lebendig und aufgeräumter Laune. Er wandte sich Mahan ganz zu.
»Für den Rückflug? Fragen Sie nur beim Kürschner, bei dem alten Martin, nach mir.« Lowell stockte, als ob ihn ein Gedanke überrascht habe. »Ja – « Er brach wieder ab.
»Lowell, komm du bei meinen Eltern vorbei nach Weihnachten«, schlug Martell vor. »Dann sehen wir weiter.«
»O. k.«
Lowell sprach aber noch einmal Mahan an. »Sie können immer beim Kürschner nach mir fragen. Ich wollte Ihnen nur noch erzählen, falls Sie wegen Cora Chapela hierhergekommen sein sollten: Der Vater ist tot, im Öl droben umgekommen. Sie hat dann vor zwei Jahren den alten Martin geheiratet, obwohl sie an jedem Finger drei junge hätte haben können. Irgendwas ist verdreht und nicht in Ordnung mit dem Mädchen« – Lowell deutete auf die Stirn –, »sie war schon einmal in den Schnee hinausgelaufen. Nun hat sie wenigstens ein Asyl. Lassen Sie sie auch in Frieden. Ja. Also bis zum Rückflug! Ich muß mich jetzt um Treibstoff kümmern. Bye.«
»Bye.«
Lowell sammelte die Schneereifen ein, die nicht mehr gebraucht wurden, und machte sich allein auf den weiteren Weg.
Hugh schaute Martell an, ohne die Lippen zu öffnen. Der Blick hieß: Du hast es gewußt, und du wolltest es mir nicht sagen. Du wolltest nicht, daß ich sie finde.
Martell erwiderte stumm mit traurigen Augen.
»Wir gehen zu mir nach Hause«, entschied er dann in hellem Ton das praktisch Notwendige.
Das kleine Holzhaus, in dem Martells Eltern wohnten, war eine der Vororthütten. Martell trat als erster ein und stellte der Mutter seine Freunde vor. Die Eskimofrau empfing Ken und Hugh wie ihren eigenen Sohn. Sie konnten die nasse Kleidung ablegen, sie konnten einen Becher heißen Tee trinken, und sie konnten sich in Decken wickeln und schlafen legen. Im kleinen eisernen Ofen knackten und knallten die Holzscheite. Es war warm genug.
Gegen Abend wurden die drei wieder wach und nahmen gemeinsam die einfache Mahlzeit. Martells Vater war
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