Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
er wurde mit etwas mehr Bewegung und Begrüßungsgemurmel an der Bar empfangen, als es bei den schon Anwesenden der Fall gewesen war, und er spendierte eine Runde.
Martell gab Hugh zu verstehen, daß dieser es sei, den er beobachten wolle.
Es dauerte nicht mehr lange, bis Sophia kam. Sie ging zu dem großen Burschen, doch er ließ sie stehen und beachtete sie nicht. Als er eine zweite Runde ausgab, bestellte er kein Glas für sie. Aber ein Mädchen, das unterdessen eintrat, anscheinend ein Halbblut, zog er zu sich her und ließ sie ein Glas mittrinken. Dann jagte er auch sie vom Hocker.
Sophia drängte sich stumm an die Seite des Kerls, den sie für ihren Freund hielt und von dem sie nicht ablassen wollte. Er leerte ein neues Glas mit einem Zug, dann packte er Sophia, trug sie wie ein Paket hinüber an den Platz von Martell und Hugh und setzte sie dort auf den Tisch, so daß Martells Glas umfiel und auslief. Er sagte dabei aber kein Wort, zog auch keine deutliche Miene, sondern ging mit seinen großen Schritten zurück an die Bar.
Sophia glitt auf die Füße und wollte zu dem Burschen zurückeilen, aber Martell und Hugh faßten sie und setzten sie auf den dritten Stuhl, nicht grob, jedoch mit so unzweifelhafter Entschiedenheit, daß das Mädchen sitzen blieb.
Dann gingen die beiden an die Bar, nahmen die Plätze rechts und links des großen Burschen ein und bestellten sich einen weiteren Whisky Soda.
Es blieb ruhig, und Sophia verließ den Stuhl, auf den sie gesetzt worden war, auch jetzt nicht.
Die Männer an der Bar tranken schweigsam und ruhig weiter. Aufeinanderstoßende Billardkugeln verursachten ihre Geräusche, dazu kam hin und wieder das Aufklappen eines Glases auf den Bartisch.
Martell und Hugh verständigten sich wiederum ohne Worte, gingen zu ihrem Tisch zurück, zahlten bei der Kellnerin und gaben Sophia mit dem Kopf ein Zeichen, mit ihnen zu gehen. Sie erhob sich fast wie ein Automat, wollte dann noch einmal entwischen, konnte sich aber dem Griff, mit dem Martell sie am Arm packte, nicht entziehen.
Martell und Hugh verließen mit ihr zusammen die Bar.
Als sie auf der Straße standen und Hugh eben den Schal höher schlagen wollte, wurde die Tür hinter ihnen wieder geöffnet, und der große Bursche kam heraus. Er gab Sophia einen Fußtritt ins Kreuz, so daß sie mit dem Gesicht auf den vereisten Schnee aufschlug, und er war dabei, sich wieder stillschweigend umzuwenden und in die Bar zurückzugehen, als Hugh seinen kurzen Kampfschrei ausstieß, den Kerl Überschwang und ihn mit guter Technik und ausbrechender Wut auf den Randstein vor Martells Füße warf. Während der Bursche am Boden sich von seiner Überraschung erholte und nicht ohne Mühe aufstand, gingen Hugh und Martell mit Sophia über die Straße auf die andere Seite. Sie rechneten damit, und vielleicht hoffte Sophia sogar, daß der Bursche Vergeltung suchen würde, aber das tat er nicht. Er taumelte noch, da er mit dem Nacken aufgeschlagen war, und seine Aufmerksamkeit wurde überdies abgelenkt. Ein Mädchen kam, das die derzeit Auserwählte zu sein schien. Die beiden fanden sich und verschwanden zusammen in der Bar.
»Wer von den Männern in diese Bar hineingeht«, sagte Martell, »geht nur hinein, um für teures Geld zu trinken und gratis zu huren. Dafür lassen sie die eingeborenen Mädchen hinein, die den Burschen trauen und sie nichts kosten. Sophia, du bist dort zum letztenmal gewesen.«
Sophia hielt den Kopf tief gesenkt und lief mit Martell und Hugh. Die drei gingen in raschem Tempo nach Hause zu Martell, und Sophia wurde wortlos mit eingelassen. Sie schlüpfte zu Martells Schwester auf das Nachtlager. Es war wärmer hier als in ihrer ungeheizten Kammer. Der Ofen kämpfte erfolgreich gegen die Kälte, die von allen Seiten eindringen wollte; er wurde immer wieder mit dicken Scheiten gefüttert. Beim Knistern und Knacken schlief Hugh zu Träumen ein, die auf den kommenden Tag deuteten. Er wollte mit George Martin sprechen. Ken war nicht zurückgekommen, er schien bei dem Ehepaar Martin geblieben zu sein.
Am Morgen, dem Sonntagmorgen vor Weihnachten, brach neues Schnee- und Sturmwetter über das Hochland herein. Die Schläfer wurden von dem Fauchen wach, mit dem der Wind um die Häuser und Hütten führ. Der aus den Ofen steigende Rauch wurde von den Mündungen der Schornsteine weggerissen und sofort ins Nichts verweht.
Man stand später auf als an Werktagen. Familie Martell und Hugh frühstückten miteinander. Martells
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