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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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verstanden zu werden. »Die Verwirrung ist meine Schuld. Ich habe dich und ich habe George betrogen. Ich wollte es nicht, aber ich habe es getan. Ich finde nicht heraus, ohne neues Unrecht zu tun – ihm – oder dir.«
    »Ich hole dich heraus, Magasapa. Du hast dich entschieden. Ich habe gesprochen. Hau.«
    Die drei setzten sich, denn ein jeder glaubte, daß Martin, ganz allein, lange Zeit mit sich selbst zu sprechen habe.
    Sie warteten.
    Endlich kam der grauhaarige Mann herein.
    Er setzte sich zu den anderen.
    »Cora«, sagte er, ohne jemanden dabei anzusehen, »ich habe als junger Mensch in grausamen Zeiten jenseits des Ozeans meine Frau, meine Kinder und meine Heimat verloren. Ich weiß, was es heißt, verachtet und verfolgt zu werden. Ich bin nach Alaska gegangen, ich habe lange allein gelebt und zwei Jahre mit dir zusammen. Ich danke dir für diese Zeit. Ich gebe dich frei.«
    Martin machte eine Handbewegung, die jedes weitere Wort abschnitt. Er wirkte auf einmal verfallen, so, wie es alten Leuten geschieht, deren ganze Gebrechlichkeit sichtbar wird, sobald eine ihrer Stützen bricht.
    »Nach Weihnachten reichen wir beide die Scheidungsklage ein, Cora. Es wird sehr schnell gehen.«
    Mahan verschwieg, was er dachte. Es würde schnell gehen, natürlich. Martin hatte gegen eine Farbige zu klagen, die ihn um eines Farbigen willen verlassen wollte. Aber Martin würde das nie aussprechen, weil er wußte, was es hieß, verachtet zu sein.
    »Ja, machen wir es so«, sagte Cora Magasapa.
    Sie versuchte nicht, George Martin zu danken oder ihn zu trösten; jedes Wort hätte nur aufgerissen, was nicht berührt sein wollte.
    »Mahan, ziehen Sie mit Cora zu Ely, heute noch. Zerren halte ich nicht mehr aus. Ein Schnitt ist besser. Ken bleibt bei mir, solange er sich in Fairbanks aufhält. Den Martells kann man nicht so viele Leute aufhalsen. Sie sind gastfrei, aber am Ende haben sie selbst keinen Platz mehr in ihrer Hütte und kein Essen mehr auf dem Herd.«
    Hugh nickte und vergaß nicht, an Sophia und deren Kinder zu denken.
     
    Im Native Center wurde der Weihnachtsabend für alle gefeiert, die kommen wollten. Die beiden eisernen Öfen glühten; der kleine Weihnachtsbaum trug seine bescheidenen Kerzen. Der Raum war voll. Geschenke wurden nicht gegeben und nicht gebracht; was jeder gab, war eine liebevolle Fröhlichkeit; was jeder mitgebracht hatte, der es irgend vermochte, war Essen und Tee. Man schmauste und lachte miteinander. Wenn einer sang, hörten alle zu.
    Die Feiernden waren eine große Familie, die Alten gehörten dazu, die Männer und Frauen, Mädchen und Burschen und die Kinder, auch die Säuglinge im Arm der Mütter.
    George Martin hatte sich nicht ausgeschlossen. Zum erstenmal setzte er sich in die Ecke der Alten, die über ihr eigenes Leben schon wegschauten wie über Berge und Ebenen, die in der Ferne klein und doch unendlich waren. Martell und Ken plauderten eifrig. Sophia saß bei Martells Schwester; sie* durfte nicht hoffen, sogleich Martells Mädchen und Frau zu werden, aber sie war in die Familie aufgenommen wie ein Kind, das Wärme brauchte. Ihre eigenen drei Kinder hockten zu ihren Füßen auf dem Boden und spielten mit einer Stoffpuppe.
    Wasescha begrüßte überrascht den Piloten Lowell, der nicht nach dem Rückflug fragte, denn die Vorhersagen hatten ein Zwischenhoch gemeldet und er hatte den Auftrag angenommen, noch mal nach dem vermißten Flugzeug der Bärenjäger zu suchen.
    Als Redakteur Ely kam, um Aufnahmen zu machen, nahm ihm diese Störung keiner übel, und niemand lächelte das »keep smiling«, aber alle lachten mit den Augen und die Jungen auch mit den Grübchen in den Wangen.
    »Ein Stern in der Nacht«, sagte Wasescha zu Magasapa, »aber draußen wartet der Sturm. Es ist gut, daß ich nicht mehr allein bin.«

Der heimliche Häuptling
     
    Sechs Monate waren ins Land gegangen.
    Nach einem harten Winter und einem dürren Frühling sorgten sich die Leute um Wasser, Gras und Vieh.
    Sie flüsterten, der Sommer werde heiß. Schon um die gegebene Zeit, Ende Juni, verblühten die Blumen auf der Prärie, und das Gras verlor seine graugrüne Farbe. Wenn die Leute aber sagten, der Sommer werde heiß, so meinten sie nicht nur die verdorrenden Pflanzen, die sich von den Bäumen lösenden Blätter, magere Kühe und weite Wege zur nächsten Wasserstelle. Sie dachten an die Unruhe in den Städten, von der sie lasen, und an den Aufstand in den Herzen der Jugend, der sie täglich bedrängte wie die von

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