Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
gern.«
    Wasescha und Ikagiya standen auf und gingen miteinander zu dem Hang des Hügels, an dem kein Weg hinunterführte. Sie fanden aber eine Stelle, an der sie über die Abgrenzung des Universitätsgeländes gelangen und im tiefen Schnee einige Schritte abwärts gehen konnten, wo keine Bänke und keine getretenen Pfade zu finden waren. Von den Menschen Geschaffenes galt hier nicht mehr. Vor ihnen lagen die weiße Hochebene und in der Ferne das weiße Gebirge; die Sonne neigte sich, und Wolken zogen am Himmel umher; das gleißende Licht brach sich zu matten vielfältigen Farben und spielte mit allen sanften Möglichkeiten. Die Sonne sank und glühte im Winterrot hinter grauen Nebeln.
    Wasescha und Ikagiya schauten über das große Land.
    Dann machten sie sich auf den Rückweg. Die Bibliothek schloß eben.
    Ken kam heraus, verabschiedete sich am Tor von zwei Freunden und lief zu Hugh herbei.
    »Das ist Ken«, erklärte Hugh, »und das ist Magasapa-win, die ich gefunden habe. Sie gehört zu uns.«
    Ken freute sich und grüßte.
    »Hugh, wir müssen uns nach Martell umsehen. Ich habe ihm versprochen, daß wir zum Haus seines Mädchens kommen. Wir müssen ihm helfen. Es ist eine Schande, was sie hier mit unseren Mädchen machen.«
    »Ja, das ist es«, sagte Magasapa. »Wie heißt sie?«
    »Sophia. Sophia Anderson. Eskimo.«
    »Ich weiß. Martell wird einen schweren Stand haben.«
    »Warum meinst du das?«
    »Sophia tat es aus Einsamkeit und Kälte. Aber seit drei Monden hat sie einen Burschen, an dem sie hängt. Er mißhandelt sie und mißbraucht sie nur. Aber sie hängt nun an ihm. Tagsüber will sie nicht. Aber wenn der Abend kommt, geht sie.«
    Die drei stiegen in Magasapas Wagen ein und fuhren zur Stadt zurück. Das letzte Stück gingen sie miteinander zu Fuß.
    Martell stand bei dem Haus seines Mädchens. Er hatte gewartet.
    Als er Cora Martin mit Hugh Mahan zusammen herankommen sah, verriet er sein Erstaunen nicht.
    »Wie steht’s?« fragte Ken geradezu.
    »Sie war schon um zwei Uhr nicht mehr hier.«
    »Willst du sie suchen?«
    »Ken, ich will sie mit dem Burschen zusammen sehen. Dann weiß ich, ob ich sie mir zurückholen will oder nicht. Aber diesen Gang kann ich auch allein tun.«
    »Kannst du nicht. Ich gehe mit.«
    Magasapa hob die Hand zum Zeichen, daß sie etwas sagen wollte.
    »Er ist ein Rowdy, ein Schläger, und er kennt Martell. Wenn ihr Männer allein hingeht, so wird er sogleich denken, daß Martell sich Sophia holen will. Geht mit mir und Ann Karlsson zusammen, das ist besser. Dann könnt ihr beobachten. Ken und Hugh sind fremd; alle werden glauben, daß sie nicht Sophias wegen kommen, sondern um eine Fairbanks-Bar kennenzulernen.«
    »Ich trage keine Frau als Schild vor mir her«, erklärte Hugh. »Ken begleitet dich nach Hause, Magasapa; George Martin kennt die Welt und Fairbanks und wird ihm viel berichten können, was er wissen möchte. Ich besuche dich und George Martin morgen. Jetzt gehe ich allein mit Martell. So kann man deinen klugen Gedanken nützen, Ikagiya; Martell zeigt einem neugierigen Fremden eine Nachtbar in Fairbanks. Mit meinem Cowboyhut sehe ich nicht wie ein Einheimischer aus.«
    Die Entscheidung fiel nach Hughs Vorschlag.
    Die Abendstunde war jedoch zu früh für eine Nachtbar, darum fuhren alle miteinander zunächst noch einmal zum Native Center, und Martell mochte eine letzte schwache Hoffnung haben, daß Sophia dorthin gegangen sei.
    Er fand sie nicht.
    Die Gruppe der jungen Eskimos war jedoch wiedergekommen, verstärkt um einen zweiten Gitarrespieler, und sie begrüßten Ken, Hugh und Martell heute sogleich mit herzlichem Willkommen. Um Magasapa Ikagiya bildete sich ein unsichtbarer Kreis freundlichen, aber stummen Erstaunens. Einige der Jungen und Mädchen kannten sie, und Mahan spürte, daß sie sie auch liebten und bewunderten. Magasapa hatte nicht alle ihre Jahre nutzlos vertrauert, sie hatte gewirkt. Was aber den jungen Menschen neu und überwältigend erschien, das war Magasapas leise Heiterkeit in der Gesellschaft dreier junger Männer. Sie stand neben Wasescha Mahan. Das Paar war schön, vollkommen in seiner Art. Die jungen Menschen nahmen das Bild in sich auf; es wirkte auf sie und in ihnen; Magasapas dunkles Geheimnis öffnete sich für sie zu einem hellen Wunder im Winter.
    Die beiden Gitarrespieler stimmten die Saiten und spielten laut, froh, Seele und Körper mitreißend. Wasescha Mahan verstand, der Rhythmus bewegte auch ihn, und er bat Magasapa um den

Weitere Kostenlose Bücher