Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
Elwe hinüber zum Friedhof und setzte sich mit ihr an das Grab des alten Häuptlings Inya-he-yukan. Sie dachten gemeinsam nach, sprachen in ihrer Weise mit dem großen Toten und beteten zu Wakantanka, dem großen Geheimnis. Hanska stellte sich bei der Koppel auf; er hielt sich bereit, wenn der junge Hengst doch noch zu seiner Herde kommen würde. Cora machte den Wagen fertig, um Stan und Stephe nach Hause zu Mutter Mahan zu bringen. Hugh stand bei ihr. Er hatte seinen ledernen Cowboyhut aufgesetzt, um den sich das Band mit dem Symbol des siebenstufigen Berges zog. Ebenso wie die Mac Leans hatte er sich bewaffnet.
»Du bleibst?« fragte Magasapa.
»Ja.«
Joe war in das Blockhaus gegangen und kam jetzt wieder zu Hugh heraus. Auch er hatte den schwarzen Cowboyhut aufgesetzt; das Band zeigte das Zeichen des Donnervogels. Er trug eine Pistole im Kniehalfter. Im Stiefelschaft steckte das Stilett. Er hatte Gewehr und Lasso bei sich, holte sich die Appalousa-Stute und sattelte. Diese Stute hatte er für 50 Dollar gekauft, weil sie ein outlaw geworden war, den niemand zu reiten vermochte.
»Ich umreite die Mac Lean-Ranch«, erklärte Joe. »Irgendwo wird der Hengst herauskommen, wenn die Mac Leans ihm keine Ruhe lassen. Läuft er aber zur Koppel, so holt ihr ihn.«
Hugh Wasescha betrachtete Joe von der Seite.
»Ich verstehe schon. Irgendwo gelangst du unbemerkt auf die Mac Lean-Ranch. Und wenn sie dich antreffen sollten, werden sie sich hüten, mit dir anzubinden.«
»So ungefähr. Gangster mußt du als das behandeln, was sie sind. Hau.«
Joe stand so, daß die Mac Leans seine Schultern und seinen Kopf über den Rücken der Stute hinweg sehen konnten. Vater und Sohn hatten Gewehre schußbereit zur Hand.
»Wasescha, nimm du bei den Wagen Deckung«, riet Joe. »Sonst knallen sie nach dir wie nach einer Schießscheibe. Du siehst mir in meinem Hemd verdammt ähnlich, und selbst wenn Philip dich als Hugh Mahan erkennt – er hat auch mit dir noch eine Rechnung zu begleichen.«
Hugh folgte Joes Worten; er lächelte dabei flüchtig, weil Tashina ihm ein Hemd ihres Mannes geliehen hatte, als das seine, das er an den drei Unterrichtstagen hatte tragen wollen, unvorhergesehen verschmutzt worden war.
Die gespannte Aufmerksamkeit auf allen Seiten wurde abgelenkt, da Jerome und Tatokala auf der Höhe erschienen; das Mädchen führte das Pferd, das sie geritten hatte, und ging mit Jerome zusammen zu Fuß. Cora, die eben den Wagen hatte anlassen wollen, wartete noch.
Jerome und Julia kamen zu Joe King Stonehorn heran. Jerome berichtete, was geschehen war.
Joes Gesichtsmuskeln strafften sich. Jerome hatte Stonehorn King gerade in die Augen gesehen, während er die Vorgänge schilderte, die zum Verlust des Hengstes geführt hatten. Jetzt senkte er die Lider. Sein wohlgebildetes, fast sanft wirkendes Gesicht war voller Trauer.
»Inya-he-yukan King, ich weiß, was ich verschuldet habe. Ich hätte dieses Pferd nie reiten dürfen. Du wirst mir sagen, was ich nun zu tun habe und was geschehen soll. Ich habe nur noch eine Bitte vorher.«
»Sprich.«
»Laß mich zu Wakiya auf das Grab deines Ahnen Inya-he-yukan des Alten gehen und mit den Toten sprechen und zu dem Großen Geheimnis beten, ehe ihr vielleicht eure Waffen gebraucht.«
Joe Inya-he-yukan schaute Jerome an mit vollem Blick, was selten geschah, und suchte ihn und seine Bitte zu ergründen. Jerome wollte verhindern, daß die Waffen sprachen.
»Geh, Jerome. Ich warte. Und wisse, du hast einen Fehler gemacht, aber einen sehr kleinen. Hanska ist wohl fünfzigmal vom Pferd gefallen, ehe er so zu reiten vermochte, wie er es jetzt kann. Aber damals gab es noch keine Mac Leans neben uns. Gehe also und bete. Aber mache keine Dummheiten. Du bist unerfahren.«
Die beiden Wörter »unerfahren« und »Dummheiten« hätte Joe in diesem Augenblick nicht sagen dürfen. Sie verschlossen Jerome den Mund, und er gestand Joe sein wahres Vorhaben nicht.
Jerome dankte nur stumm und bat Tatokala, ihm nicht zu folgen. Er lief auf dem erlaubten Pfad zum Friedhof hinüber, verweilte bei dem Grabe Tishunka-wasit-wins und setzte sich dann zu Wakiya Byron Bighorn und Elwe. Der Wind streifte durch die Wiesen, kühlte die Haut von Mensch und Tier und trocknete das dorrende Gras noch mehr aus. Die Weißen Felsen leuchteten in dem Sonnenschein, der die Wiesen verbrannte.
Joe Stonehorn King streichelte die Appalousa-Stute und ließ sich von Queenie Tashina noch Proviant in die Satteltasche stecken,
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