Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
denn er rechnete damit, daß er auf der Pferdejagd lange unterwegs sein würde. Bei allem, was er tat und dachte, beobachtete er unausgesetzt die beiden Mac Leans, jetzt schon sehr sorgfältig gedeckt, am Hals der Appalousa-Stute vorbei.
    George Mac Lean stand an der Tür seines Hauses, die halb offen war und bei der er gute Deckung hatte. Philip Mac Lean war ein Stück aufwärts in die Wiese gegangen und lag im Gras, im Schutz einer leichten Bodenwelle, die sich vom Hang zum Haus herunterzog. Keiner wußte, aus welchem Anlaß, in welchem Augenblick und wie man etwa aufeinander schießen würde, aber jeder rechnete schon damit nach vielen Monaten nicht endender Drohungen und Spannungen.
    Jerome hatte sich neben Elwe und Wakiya zu dem Häuptlingsgrab gesetzt. Er nahm die Hand vor den Mund und durchdachte tief und aufrichtig seine Bitte an das Große Geheimnis. Die Gewehrläufe waren gegeneinander gerichtet. Jerome wollte das Seine tun, um den Kampf in dieser Stunde zu verhindern und damit vielleicht einen Nachbarfrieden beginnen zu lassen. Er wurde sich selbst immer gewisser, daß er die Kraft dazu haben werde. Er stand auf, und auch die beiden andern erhoben sich.
    »Wakiya und Elwe«, sagte er, »ich gehe jetzt hinüber zu Mac Lean, waffenlos, mit erhobenen Händen, und bitte ihn, sich mit Joe Inya-he-yukan über das Einfangen des Pferdes zu einigen. Er kann nicht auf mich schießen.«
    »Jerome, was du tun willst, ist gut. Es stehen aber drüben zwei Männer, Philip und George, mit zwei Gewehren. Wenn dich einer töten sollte, so gehe ich den gleichen Weg wie du, und der andere wird mich töten. Wir werden dann an der Seite Tishunka-wasit-wins in die Erde gebracht werden, und wir werden Hand in Hand die große Straße wandern. Die Watschitschun aber werden endlich verstehen müssen, wieviel Unrecht sie begehen, und die eingeborenen Kinder unseres großen Landes werden die Trauerlieder vernehmen und begreifen, was sie tun müssen.«
    »Laß uns nicht vom Töten und Sterben sprechen, Wakiya-knaskiya. Es ist eine so schlichte und klare Sache, und der Frieden wird wiederkommen, wenn die Menschen miteinander sprechen.«
    Jerome hob die geöffneten Hände und machte den ersten Schritt auf seinem Weg über die Grenze des Friedhofs hinaus. Er bewegte sich in diesem einen Augenblick auf der Linie zwischen George Mac Lean und Joe King. Keiner dieser beiden Männer konnte eben in diesem Moment von seinem Platz aus auf den andern zielen, ohne Jerome zu treffen. Schräg hinter Jerome stand Wakiya. Elwe war am Grabe des alten Häuptlings geblieben.
    Philip gab seinem Sohn George ein Zeichen mit dem Arm; es war das übliche Zeichen des militärischen Schießbefehls.
    »Hinlegen!« schrie Joe Jerome zu. »Zurück.«
    Das erste Wort war kaum verklungen, als der Schuß aus George Mac Leans Gewehr fiel. Der Abschuß krachte, das Geschoß zischte und pfiff, Jerome drehte sich halb um sich selbst und fiel ins Gras. Begreifen, was geschah, und sterben war für ihn eins gewesen.
    George wich gleichzeitig über die Schwelle in sein Haus zurück und warf das Gewehr demonstrativ fort.
    Wakiya ging einen Schritt bis zur Grenze des Friedhofs vor. Philip Mac Lean zielte auf Wakiya und wollte den Schuß auslösen; dabei kamen seine Augen und seine Schultern um ein weniges höher über den Erdrücken heraus. Ehe er abdrückte, krachte der Schuß aus Joe Inya-he-yukans Waffe; Philip Mac Lean, zwischen den Augen getroffen, ließ den Kopf ins Gras sinken und blieb liegen.
    Joe Stonehorn King kam hinter der Appalousa-Stute hervor; er eilte, die Waffe noch in der Hand, zusammen mit Hugh Wasescha zu dem Toten. Jerome war ins Herz getroffen, sein Hemd und das Gras waren blutig. Es gab keine Hilfe mehr.
    Wakiya zitterte und zuckte, und Elwe führte ihn mit sanfter Bitte von den Gräbern fort, zurück in das Blockhaus.
    Drüben war George Mac Lean mit erhobenen Händen wieder aus dem Haus gekommen und beugte sich über seinen toten Vater. Joe gab alle seine Schußwaffen Hug Mahan, bat Tatokala, auf die Appalousa-Stute zu achten, und ging mit langen Schritten zu George Mac Lean hinüber. George richtete sich auf. Er war bleich, und er war bestürzt, als der Indianer neben ihm stand. »Warum hast du ohne Anruf geschossen, George Mac Lean? Jerome war unbewaffnet und hatte die Hände erhoben. Du hast einen Mord begangen, und dein Vater plante einen zweiten.«
    George würgte an Worten, die er nicht hervorbrachte. Er mochte die Wahrheit nicht zugeben, und er

Weitere Kostenlose Bücher