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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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wagte nicht zu lügen. Im Innern aber fluchte er seinem toten Vater, dessen Willen er erlegen war.
    »Komm mit zur Polizei, George Mac Lean. Wir gehen zusammen. Die Toten bleiben liegen, bis alle Spuren aufgenommen sind.« Da George Mac Lean schlaff, wie verwelkt erschien, faßte Joe ihn am Arm und führte ihn an dem toten Jerome vorüber zu seinem Wagen. George hatte keinen Blick auf den von ihm Erschossenen geworfen; er hatte weggesehen.
    Joe drängte den Mann, dem die Angst im Nacken saß, auf den Sitz neben sich, ließ an, erreichte die Straße und fuhr in Richtung der Agentursiedlung.
    Die auf der King-Ranch Zurückbleibenden hatten sich zusammengefunden.
    »Cora«, bat Hugh, »gehe du hinüber zu den Frauen Mac Lean, sag ihnen, daß die Toten liegenbleiben, bis die Polizei hier sein wird, und bitte sie, ihre Cowboys anzuweisen, daß sie sich ruhig verhalten – wenn sie hier auftauchen sollten.«
    Cora machte sich auf den Weg, aber sie fand das Haus der Mac Leans von innen verschlossen, und auf ihr Klopfen wurde nicht geöffnet.
    Cora und Queenie, Stan und Stephe und Melittas Pflegekinder gingen auf den Friedhof. Sie ließen sich in weitem Kreise um den toten Jerome nieder; nur Tashina setzte sich dicht zu ihm, um die Fliegen abzuwehren, die das Blut suchten. Jeromes Gesicht war totenblaß. Tashina drückte ihm die Augen zu, die schon starr geworden waren.
    Im Kreise um den jungen Toten fehlten Tatokala und Hanska. Der Junge war bei der Koppel geblieben und wartete weiter auf den entlaufenen Hengst, Tatokala stand bei der Appalousa-Stute, die Joe ihr anvertraut hatte. Sie sprach mit dem Tier. Ihre Stimme klang, wie sie noch nie geklungen hatte, schwingend, müde, voller Liebe. Die Stute spitzte die Ohren, und als das Mädchen lange gesprochen hatte, wandte das Tier ihr den Kopf zu und schnaubte. Tatokala strich ihm sacht über das Fell und über die Narben, die von schweren Peitschenschlägen und den Rissen großer Sporen herrührten. Die Stute hob den Kopf und schnaubte wieder. Vielleicht wollte sie ihren Sohn, den jungen Hengst, suchen. Sie stampfte.
    Julia Tatokala folgte ihrem Gefühl und der Eingebung des Augenblicks. Sie schwang sich auf und ritt hangaufwärts.
    Hugh Wasescha schaute ihr nach.
    Hätte er sie aufhalten oder ihr folgen sollen?
    Es war ungewiß, womit das größere Unglück herbeigeführt oder verhindert werden konnte. Sicher aber war, daß Hugh selbst als Zeuge auf der Ranch sein mußte, wenn Joe und George mit der Polizei zurückkamen.
    So ritt Julia Tatokala allein auf die Höhe zurück, von der sie mit Jerome heruntergekommen war. Niemand mehr außer Julia wußte, was in jener kurzen Zeit gesprochen worden war, als sie Jerome ohne Pferd getroffen hatte und mit ihm zur King-Ranch wanderte. Jerome hatte sie nicht der Gefahr aussetzen wollen, als er zu den Gräbern hinüberging, und so hatte sie im letzten Augenblick seines Lebens nicht bei ihm sein dürfen. Bei dem Toten aber saßen viele andere.
    Julia hielt auf der Höhe.
    Die Steigbügelriemen waren ihr zu lang. Joe King war bedeutend größer als sie. Sie schnallte die Riemen kürzer, ohne abzusteigen.
    Die Stute hielt den Kopf hoch und witterte. Sie setzte sich in Bewegung.
    Julia ließ sie laufen, wie sie laufen wollte. Es ging zurück in Richtung von Melittas Haus. Die Stute galoppierte schnell und leicht. Ihre Muskeln waren kräftig, ihr Bau ausgezeichnet. Als Julia die ehemalige Büffelweide erreichte, begegnete sie Gerald. Er ritt auf sie zu, und da die Stute nicht anhalten wollte, er auch nicht wagte, bei diesem Pferd in die Zügel zu greifen, galoppierte er hinterher. Sobald Melittas Haus in Sichtweite kam, erkannte Julia den jungen Hengst, der dort angehängt war.
    Die Stute strebte zu ihm, und die beiden Pferde begrüßten sich mit allen Zeichen der Freude.
    Tatokala sprang ab.
    Gerald hatte fragen wollen: Und wo hast du das Trinkwasser? Aber als er seiner Schwester ins Gesicht sah, fragte er nur: »Was ist?«
    »Wo hast du den Hengst eingefangen?« fragte Julia dagegen.
    »Galoppieren und Schreien machten mich aufmerksam. Ich habe mich umgesehen. Der Hengst lief umher und foppte die Cowboys drüben. Mein Pferd und ich haben lange mit dem Hengst gespielt, und schließlich kam er zu mir her.«
    »Hier?«
    »Nein, drüben auf dem Mac Lean-Gelände. Die Cowboys wußten schon, warum sie mich in Ruhe ließen.« Gerald schlug an sein Gewehr, das im Sattelhalfter steckte. »Ja, und dann habe ich ihn hier angehängt. Hat Jerome das

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