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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Fahrlässigkeit, sehr grobe Fahrlässigkeit, und Sie beide haben ein Disziplinarverfahren zu erwarten. Mahan, wie konnten Sie zusehen, daß das Mädchen an die Straße heranging, um dann zu spät und wirkungslos einzugreifen? Suchen Sie sich erst jemanden, der Ihnen glaubt, daß Sie ein fünfzehnjähriges Mädchen nicht festhalten können, wenn Sie das wirklich wollen.«
    Mahan hörte die heiser-scharfe Stimme des Rektors, aber nur an der Oberfläche seines Bewußtseins. Er schaute unentwegt auf die Tote. Ihr Gesicht, zur Seite liegend, war nicht entstellt. Sie lag da, so, wie sie es gewollt hatte. Hugh hatte schon mit Byron gesprochen, der durch den Schuß aufgeschreckt worden war. Als der Junge vom Tode Tishunka-wasit-wins erfahren hatte, war der merkwürdige Ausdruck der Ruhe nicht aus seinen Zügen gewichen. Er hatte nur gesagt:
    »Nun wandert sie den weiten Weg.«
    Während Hugh Mahan mit seinen Gedanken abwesend war, hatte der Rektor weiter geforscht. Wer außer Cargill und Mahan hatte den Vorgang beobachtet?
    Niemand außer einigen Kindern. Snider wollte von Aussagen indianischer Kinder nichts wissen. Es würde nur Ungewißheit und Verdruß damit geben. Er bedrängte aber Cargill und versuchte, ihn zu einer anderen Aussage zu bringen. Ein Unfall war es gewesen, ein Unfall, verursacht durch Versäumnis der Aufsichtspflicht. Vielleicht konnte Cargill sich aus der Schlinge ziehen, wenn er Sniders Absichten unterstützte. Ein Unfall, hervorgerufen durch das Versagen eines pädagogisch nicht ausgebildeten indianischen Erziehers, der dem Rektor wider seinen Willen zugeschoben worden war. Cargill hatte weit entfernt am Schultor gestanden – man konnte ihm geringere oder gar keine Schuld geben, wenn er den Vorgang verständlicherweise zu spät bemerkt hatte und daher auch nicht genau zu rekonstruieren vermochte. Aber der schmächtige und nervöse Mensch blieb wider alles Erwarten standhaft und wiederholte zehnmal, was er gesehen hatte.
    Endlich rollte der Polizeijeep heran. Die beiden Indianerpolizisten in Uniform, ein großer und ein kleiner, sprangen ab, nahmen die Spuren auf und brachten die Tote in das Krankenzimmer der Schule. Dann wandten sie sich den Zeugen zu.
    Rektor Snider machte einen weiteren Versuch, seine Theorie vom Unglücksfall gegen Cargills und Mahans Aussage durchzusetzen. Der große Polizist bemerkte dazu gar nichts, nahm aber das Protokoll an sich, das die Sekretärin angefertigt hatte. Er lächelte ein wenig, vielleicht sogar ein wenig ironisch. »Alles klar, Rektor Snider, für die Statistik wird es ein Unglücksfall. Niemand von Ihren Leuten ist schuld. Haben Sie gehört? Niemand. Keine Scherereien, kein Aufsehen. Haben Sie alle hier verstanden? O. k. Aber uns interessiert etwas anderes. Mahan! Wer war das, der auf Sie geschossen hat? Wir haben nur den Namen, und der kann falsch sein. Also, wie sah der boy aus?«
    »Ein sehr junger Kerl. Blue jeans und schmutzige feste Jacke. Einen halben Kopf kleiner als ich.«
    »Also groß«, notierte der Polizist. »Sehr jung – weiter?«
    »Mager, eingefallenes Gesicht. Braune Haare.«
    »Sah also nicht wie der Eigentümer eines Jaguar aus?«
    »Nein, das nicht.«
    »Es könnte der gestohlene Wagen sein. Nummer gewechselt. Besondere Kennzeichen sind Ihnen nicht aufgefallen?«
    »Eine Narbe an der Schläfe, wie von abgesplittertem Knochen.«
    Die beiden Polizisten sprangen fast in die Höhe. »Damned – damned… Er ist es gewesen. Der unverschämte Bursche – kommt mit dem gestohlenen Wagen zurück! Präsentiert seine falschen Papiere – er muß eine ganze Auswahl davon haben… Sie können von Glück sagen, Mahan, daß er Sie nicht einfach niedergeschossen hat, als Sie ihn festhalten wollten. Wo ist das Geschoß?«
    Mahan holte es aus der Tasche. »Hier. Ich habe es aufgelesen. Es hatte durchgeschlagen. Mini-Revolver.«
    Der Polizist besah den Hemdsärmel, der lose, halb abgeschnitten, neben dem laienhaft verbundenen Arm hing. Die Durchschußstelle war angesengt.
    »Alles klar, Gangster fährt rücksichtslos Indianermädchen tot, schießt und begeht Fahrerflucht. Verstehen Sie, Mister Snider?«
    »Ich verstehe.« Snider atmete auf.
    »Das Miststück ist sowieso ein kaltblütiger Mörder. Er hat mit seinem Mulattenkumpan zusammen einen Gefängnisaufseher umgebracht, ein scheußlicher Racheakt. Vor der Hinrichtung sind die beiden ausgebrochen. Mehr oder weniger Schuld macht bei dem einen und bei dem andern nichts mehr aus. – Lassen Sie das Blut

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