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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Mary Booth getötet hat, das weißt du, daß sie einmal auf die Nachbarweiden ausgebrochen sind und daß sich jetzt ein Bulle vor den Wagen des Superintendent gestellt hat. Daß ich nur einen einzigen Cowboy habe, der ein rechter Buffalo-Boy ist – Robert –, und daß sie auch ihn bald zu den Soldaten oder ins Gefängnis holen wollen. Zum Büffelhüten braucht man aber erfahrene und entschlossene Leute. Das kann nicht jeder.«
    »So ist das.«
    »Schlafe dennoch ruhig, Wakiya.«
    Wakiya-knaskiya hob seine Hand von der des Vaters ab, legte sie aufs Herz und schloß die Augen. Es konnte eine Gebärde der Müdigkeit und des Einschlafens sein, eine Gebärde des Vertrauens oder des Verzichts, eine Gebärde der Entfernung von allen anderen, selbst vom Vater.
    Hugh Wasescha erkannte, wie das Unüberschreitbare breiter wurde und der Blick nicht mehr hinüberreichte.
    Mahan begleitete Joe King noch bis zu dessen Wagen. Kings Miene veränderte sich, als er den Kranken und das Zimmer verlassen hatte.
    »Der Vertrag«, sagte er im Gehen plötzlich zu Mahan, »der Vertrag mit der Büffelranch, von dem ich gesprochen habe, liegt bei Carr. ›Zur Kenntnisnahme‹ habe ich geschrieben. Carr wird sagen, zur Genehmigung. Ich weiß nicht, was geschieht, wenn er nein sagt und sein Nein auch durchsetzen will.«
    King sprang in den grauen Sportwagen und ging sofort auf hohe Geschwindigkeit.
    Mahan kehrte in sein Zimmer zurück. Wakiya schien eingeschlafen zu sein, sein Atem ging ruhig. Hugh hatte nicht daran gedacht, sich Bettzeug für die zweite Lagerstatt zu holen, aber irgend jemand hatte es ihm hingelegt, während er King begleitete, wahrscheinlich die alte Hausbesorgerin im Internat. Sie kam aus einem anderen Stamm, so war gesichert, daß sie mit den Schülern nur englisch sprach. Hugh machte das zweite Bett zurecht.
    Die Nacht verlief ungestört. Der Morgen kam, mit ihm der neue Schultag.
    Hugh erwartete, daß Byron Wakiya noch einmal nach Patricia fragen oder daß sie von selbst noch einmal kommen würde. Aber das geschah nicht. Hugh ging auf den Vorplatz, um seine sechzehn Beginner am Schulbus zu begrüßen. Die Zwillinge wirkten heute über ihr Alter hinaus ernst. Tishunka-wasit-win ging mit Schülern ihrer Klasse zum Schulhaus, ohne sich nach Hugh umzusehen.
    Die Unterrichtsstunden begannen. Mahan wählte heute ein anderes Thema, ein einfaches Kindergedicht. Er hatte das Gefühl, daß er an den Worten des Treuegelöbnisses zu Flagge und Regierung schlechthin hätte ersticken müssen.
    Nach dem Mittagessen hatte er Dienst auf dem Spielplatz vor der Schule. Er ging zu dem Staubecken und hielt von dort aus Umschau. Es fiel ihm ein, daß er Byron und Patricia an dieser Stelle zum erstenmal gesehen hatte. Jetzt beobachtete er, wie das Mädchen sich – absichtlich oder absichtslos? – von den anderen Schülern ein Stück entfernte und in Richtung des Staubeckens und der dahinter vorbeiführenden Straße schlenderte. Sie wollte wohl mit ihren Gedanken allein sein.
    Tishunka-wasit-win gelangte bis zum Straßenrand, dort machte sie halt. Die Schüler sollten auf dem Vorplatz bleiben und nicht zur Straße gehen. Mahan wußte, daß er Patricia zurückzurufen oder zurückzuholen hatte. Er zögerte, sie wie ein Kleinkind zu behandeln. Für die Mittagspause standen nur noch fünf Minuten offen; Patricia mußte auf alle Fälle von selbst bald kehrtmachen. Auf dem Spielplatz fand sich unterdessen eine Gruppe zusammen. Hanska, der zwölfjährige Bruder Wakiyas, bildete den Mittelpunkt. Mahan wußte nun schon, daß dieser Junge der beste Turner der Schule war, ein sehr guter Reiter und eine Hoffnung des Sports. Bei ihm standen die Zwillinge und vier der Internatsschüler. Die Gruppe schaute unauffällig nach Patricia.
    Mahan hatte die Aufsicht zusammen mit jenem jungen blassen und körperlich nicht kräftigen Lehrer, dessen Nerven angesichts des Epilepsie-Anfalls in seiner Klasse versagt hatten. Er stand jetzt am Schultor und begann schon, die Kinder darauf aufmerksam zu machen, daß sie ihre Spiele abbrechen sollten. Es blieben noch zwei Minuten bis zum Beginn des Nachmittagsunterrichts.
    Auf der oft stundenlang leer liegenden Straße fuhr ein Wagen langsam vorbei, ein sehr alter Wagen; die Insassen waren ein indianisches Ehepaar mit drei Kindern.
    Mahan ging nun doch zu Patricia und erinnerte sie leise an das Ende der Pause. Das Mädchen trug auch heute offenes Haar und die Kleidung, die wie eine Festkleidung wirkte. Sie nickte und wandte

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