Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Nährboden, auf dem es gedeiht.«
    »Was meinen Sie damit, Mister King?«
    »Nichts, was mich angeht. Ich bin Indianer.« King wandte sich wieder den Polizisten zu.
    »Fotografieren Sie die Spuren an meinem Jaguar, ich habe sie zu diesem Zweck unangetastet gelassen. Und rufen Sie sofort die Agentur an und erkundigen Sie sich nach dem Ergehen der Schulrätin.«
    »Sie brauchen uns keine Dienstvorschriften zu machen, King.«
    Trotz dieser unwirschen Abwehr beauftragte der große Polizist den anderen, zu tun, was King vorgeschlagen hatte. Snider hielt sich an den zurückbleibenden Polizisten und entließ die übrigen Anwesenden, um sich ganz auf die Abstimmung seines Berichts an Miss Bilkins mit dem Polizeibericht zu konzentrieren. Er machte noch einmal einen Versuch, Mahan zu belasten, aber der große Polizist wies ihn wiederum ab.
    »Ihren Mahan können Sie ein andermal an den Ohren ziehen. Als Rektor sollte Ihnen das nicht schwerfallen. Im Augenblick ist aber das einzig Wichtige, daß kein Aufsehen entsteht. Sie müssen wissen, daß sich heute in der Agentursiedlung zwei ähnliche Vorgänge abgespielt haben. Zwei schulentlassene Jungen, die plötzlich hinter einer Straßenecke hervorsprangen, sind von einem Laster des Supermarket überfahren worden. Deshalb sind wir auch so spät hierhergekommen. Seien Sie wachsam, Snider, die Selbstmordwelle könnte auch zu uns kommen.«
    »Was für eine Selbstmord… welle?«
    »Wir haben die Berichte des Büros. Auf einer Reservation ist im letzten Jahr jeder fünfte Schulentlassene ums Leben gekommen.«
    »Motiv?«
    »Keine Unterlagen dafür. Die Herren sagen: Kluft zwischen Tradition und Zivilisation nicht überwunden. Also Sie verstehen: kein Aufsehen, keine Presse, keine weitere Unruhe unter den Schülern und Lehrern. Ein Unfall. Schuld ist nur der Gangsterfahrer. Das allerdings müssen Sie Mahan und Cargill beibringen.«
    »Ich verstehe.«
    Der kleine Polizist hatte unterdessen mit der Agentur telefoniert. Die Rätin war zu Fuß, aber, abgesehen von einem trostlosen Nervenzustand, wohlbehalten auf der Superintendentur angekommen. Den Dienstwagen hatte man, leer und unbrauchbar gemacht, auf der Straße zwischen der Agentursiedlung und New City gefunden und ihn bereits sichergestellt.
    »Und der Verbrecher?« fragte Snider.
    »Verschwunden.«
     
    Mahan war mit King in sein Zimmer gegangen, aber sie hatten Byron Wakiya nicht angetroffen und sich sofort auf die Suche gemacht. Da der Junge nirgends zu finden war und niemand ihn gesehen haben wollte, liefen sie endlich zu dem Krankenzimmer, in dem die Tote aufgebahrt lag. Das Zimmer sollte verschlossen sein, und es war auch tatsächlich verschlossen. Der Schlüssel steckte nicht im Schloß, auch nicht von innen. Von unruhigen Gedanken getrieben, rannten die beiden zum Wächter, in dessen Raum sich das Schlüsselbrett befand; der Schlüssel war fort. King winkte Mahan und holte dabei einen einfachen Dietrich aus einer seiner vielen Taschen. Sie liefen zum Totenzimmer zurück. King öffnete ohne Mühe, die beiden traten ein, Mahan zog die Tür leise hinter sich zu, und die beiden Männer blieben stumm stehen.
    Das Tuch, das über die Tote gebreitet war, war aufgeschlagen. Das bleiche Gesicht, umrahmt von schwarzem Haar, war im Tode noch schöner als im Leben; gleichmäßig, still, herb, weit entfernt vom Getriebe des Tages. Wakiya kniete am Bett und hatte seine Wange auf die zerquetschte Brust des Mädchens gelegt. Er rührte sich nicht und schien die Eingetretenen nicht bemerkt zu haben. King ging zu ihm heran und wartete. Auch Mahan fürchtete, daß Wakiya tot sei, aber als der Pflegevater sich zu ihm beugte, vernahm man einen tief heraufgeholten Atemzug. Wakiya erhob sich langsam, sehr sacht legte er das Tuch wieder über Tishunka-wasit-win, so daß die Tote ganz bedeckt und ihm für immer verborgen war. Der Junge griff nach dem Türschlüssel, den er auf den Stuhl gelegt hatte, und gab ihn Mahan, der ihn dem Wächter brachte.
    Als Hugh in das kahle Viererzimmer zurückkam, hatte sich Wakiya schon aufs Bett gelegt. Inya-he-yukan stand bei ihm.
    Das Licht war nicht angeschaltet. Menschen und Gegenstände blieben Schatten.
    Hugh trat zu den beiden andern heran. Er hatte plötzlich das Gefühl, vor einem schweigenden Gericht zu stehen. »Eine Viertelsekunde schneller, und ich hätte Patricia packen und retten können«, sagte Hugh. »Fünf Minuten früher alles begriffen, und ich hätte sie hindern können, an den Straßenrand zu

Weitere Kostenlose Bücher