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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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auch vor allen enthüllt und schließlich den Rektor für Mißerfolge verantwortlich machen wollen, was natürlich das schlimmste ist. Snider scheint überdies hartnäckig entschlossen, Miss Bilkins das Leben zu erschweren, weil sie Ihre von Snider ausgesprochene fristlose Entlassung rückgängig gemacht hat.«
    »Trotzdem hält er Wyman und wirft mich hinaus.«
    »Schlußfolgern Sie nicht zu rasch, Mister Mahan. Seinen Wyman kann Snider jetzt nicht los werden, wahrscheinlich nicht einmal nach einem eklatanten Mißerfolg in der fünften Klasse. Es ergeht aber zunächst eine geheime Anweisung an alle weißen Lehrer, keine Beleidigungen gegen Indianer laut auszusprechen; Szenen sollen vermieden werden. Was Sie persönlich anbetrifft, so werden Sie nicht als Erzieher eingestellt. Sie werden auch nicht als Lehrer eingestellt.«
    Ball stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Es machte ihn nervös, daß er sich selbst das Rauchen verboten hatte.
    »Sobald Ihre Probezeit als Erzieher abgelaufen ist, Mister Mahan, übernehmen Sie eine bezahlte Gastrolle bis zum Ende des Schuljahres. Sie führen bis dahin Ihre Sitzenbleibergruppe – ein Sonderfall des Nachhilfeunterrichts, klar? –, und Sie geben aushilfsweisen Literaturunterricht in der zwölften Klasse – auch eine Zwischenlösung. Sie vertreten die Internatsbetreuer zweimal in der Woche bei der Sportaufsicht. Ein finanzieller Nachteil erwächst Ihnen bei dieser Regelung nicht. Mit Ende des Schuljahres enden aber alle Ihre Bindungen an diese Schule hier. Ich glaube nicht, daß Sie von der Schuldienst-Verwaltung je wieder angestellt werden.«
    Ball blieb vor Mahan stehen und versuchte, seinen Blick zu fassen, was ihm nicht gelang.
    »Aber Mister Wyman, der Menschenquäler«, antwortete Mahan, »darf unsere Kinder weiter verstören und ihnen die Lust am Lernen vergällen. Sind Sie sich klar, Mister Ball, was das bedeutet, Wyman in der fünften Klasse? Diese Schüler sind hilfloser als die in der zwölften. Aber die Baccalaureats-Statistik ist natürlich noch wichtiger, sonst werden unserer Schule vielleicht die oberen Klassen weggenommen – und um die Baccalaureats-Statistik zu heben, bin ich gut genug.«
    »Sogar für Carr – ja. Snider hat ihm und Miss Bilkins Angst vor weiteren Schülerselbstmorden gemacht, sonst wären Sie spätestens in vier Wochen ausgeschieden, wenn nicht nach dem Wunsche Mister Carrs sogar gleich geflogen. Sie haben mit einem Prozeß gegen Wyman gedroht, Mister Mahan. Ich sage Ihnen von vornherein, daß er aussichtslos ist. Wyman war leider kein Sonderfall. Man müßte gegen unser damaliges Schulsystem klagen. Man will das Vergangene aber ruhen lassen.«
    »Und weiter achtjährige Kinder zum Selbstmord treiben. Dann ruht endlich auch das Gegenwärtige.«
    Ball begann wieder auf und ab zu laufen.
    »Sie sind in einer desparaten Stimmung, Mister Mahan. Ich kann das verstehen, aber klug finden kann ich Ihr Verhalten trotzdem nicht.«
    Mahan stand bei dem Bücherregal. Er rührte sich nicht von seinem Platz.
    »Erlauben Sie mir einen Einwand, Mister Ball. Wenn Wyman mein Volk nicht beleidigt und nicht den Streit mit mir vom Zaun gebrochen hätte und wenn ich diesen brutalen Burschen nicht sozusagen moralisch-handgreiflich gestoppt hätte, so wäre meine Probezeit als Erzieher mit einer negativen Beurteilung sang- und klanglos beendet worden. Die Absicht bestand, das wissen Sie. Jetzt ist der Skandal groß genug geworden, um mir wenigstens noch eine Galgenfrist und Gastrolle als Erzieher und als Lehrer sogar in der zwölften Klasse zu geben.«
    »Und Wyman steht jetzt ebenso unter täglicher Kontrolle der Schulöffentlichkeit, wie Sie es tun. Das haben Sie tatsächlich erreicht.«
    »Dadurch, daß ich nach fünfzehn Jahren des Stummseins einmal eine Perle der Kritik… Nein, entschuldigen Sie, Mister Ball, das Bibelgleichnis führt diesmal in eine Biberfalle, vor der ich mich hüten möchte.«
    Ball hielt den Schritt wieder an.
    »Lassen Sie mich das Gleichnis vollenden, Mister Mahan. Dadurch, daß Sie nach fünfzehn Jahren äußeren und inneren Gefangenseins einmal eine Perle der Wahrheit unter uns Schweine geworfen haben.«
    »Ich habe es nicht gesagt.«
    »Nein, Sie haben es nur gedacht, aber vor Gott ist das dasselbe. Natürlich wissen wir jetzt auch, daß zwischen Wyman und Ihnen, dem ehemaligen Lehrer und dem ehemaligen Schüler, eine Art Blutrachebeziehung besteht. Man wird keinem von Ihnen beiden irgend etwas glauben, was er über den anderen

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