Welt Der Elben (1-3)
Brennesseln lösten das Schilf ab, und dann war der Weg plötzlich zu Ende.
»Weiter!«, befahl von Rittershausen. »Die Wiese hoch! Bis zum Brunnenschacht.«
Am Ziel bot sich ihnen ein weiter Blick über die umliegende Landschaft. Linker Hand lagen Felder und Wiesen bis zum Horizont, vor ihnen Wald. Hinter ihrem Rücken befand sich das Anwesen.
»Deckel hochheben! Los, ihr Jungs macht das!« Rittershausen trat neben den Schacht.
Während Heather wartete, blickte sie sich vorsichtig um.
Hinter dem Anwesen führte die Landstraße vorbei, über die sie gekommen waren. Eingebettet in Wiesen und Äcker, und in der Ferne zeigten sich die Umrisse eines Dorfes mit einer Kirche. Die Landstraße verschwand hinter einem bewaldeten Berg. Heather wusste, dahinter lag Königstein. Irgendwo da war auch eine Autobahn oder eine Schnellstraße, denn sie hörte das Brummen von Lastwagen.
Inzwischen hatten Moryn und Zalym den schweren Holzdeckel beiseite geschoben. Neben dem Schacht lagen eine verrostete Eisenleiter und ein Päckchen Nägel.
»Endstation, haha, alles einsteigen!«, machte Rittershausen sich lustig über sie und zeigte mit der Waffe zum Brunnen. Heather hätte den Kerl am liebsten eigenhändig in den Schacht geschubst.
Moryn schob Kynka vor. »Du zuerst!«
Sie zögerte.
Rittershausen lachte amüsiert. »Ich bin ja kein Unmensch. Nehmt die Leiter!«
Moryn hängte die Leiter ein. Tessya weinte immer noch. Heather wunderte sich, wie sie so viele Tränen vergießen konnte.
Kynka musste zuerst hinabsteigen. Dann Zalym, danach Tessya.
Heather blickte zum Himmel hoch. Er war leicht verhangen und durchsetzt mit aufgelockerten Haufenschichtwolken . Eine aufquellende schwarze Wolke kündigte Regen an.
Moryn bedeutete ihr mit einem Kopfnicken sie solle vorgehen.
»Mach schon!«, raunte von Rittershausen.
Als Letzter kam Moryn. Als er unten war, zog von Rittershausen die Leiter hoch.
Er schob den schweren Deckel über den Schacht. Es wurde dunkel um sie herum und sie hörten wie er mit kräftigen Schlägen das Holz festnagelte.
Dann herrschte Totenstille. Irgendwann zeigte sich draußen die Sonne und schickte einen winzigen Strahl durch das rissige Holz.
»Moryn, glaubst du, ich habe genug Tränen geweint?«, flüsterte Tessya.
»Ich hoffe.«
»Was macht deine Hand?«
»Geht schon, ist nicht schlimm, ich brauchte nur ein wenig Unterstützung, sonst hätte ich keine Träne hervorquetschen können.«
»Es ging bei mir leider gar nicht«, sagte Zalym.
»Heather?«, fragte Tessya und griff nach ihrem Arm. »Frühestens heute Nacht kann uns jemand finden, wenn es wieder dunkel ist.«
»Wie soll uns hier jemand finden?«
»Das kann nur ein Elb, der weiß, wonach er suchen muss.« Tessya drückte ihre Hand. »Wer gezielt sucht, der kann im Dunkeln unsere Tränen sehen, die schimmern dann grün.«
»Und wer könnte das sein? Lynn? Oder dein Vater, Moryn?«
»Nein. Aarab. Er ist unsere letzte Hoffnung.«
»Niemals!«, schnaubte Zalym. »Der freut sich höchstens.«
»Du unterschätzt ihn. Ich habe mit ihm manchmal Informationen ausgetauscht. Er hat mir gesagt, was er wusste – und ich ihm, was ich wusste. So geht das nun mal.«
»Es darf zwischenzeitlich nur nicht regnen«, sagte Tessya. »Dann ist die Spur weg und wir sind verloren.«
»Aarab, der Spinner«, schnaubte Zalym. »Warum sollte er uns jetzt suchen gehen? Er ist in Port Olva. Weit weg. Bis der deine Nachrichten vermisst, sind wir seit Wochen vertrocknet.«
»Rede schon, Moryn!«, drängelte Tessya. »Weiß er wenigstens, dass wir hier sind?«
»Ja. Ich hab ihm gestern eine Mail geschickt.«
»Und du glaubst, der kommt hier mal eben vorbei spaziert, nur weil du dich nicht bei ihm zum Frühstück meldest?«
»Wart’s ab, Zalym!«
Heather räusperte sich. »Es kann Tage dauern. Gibt es keinen Weg da hoch?«
»Höchstens Kynka hätte eine Chance, da hochzuklettern«, sagt Moryn. »Aber ich traue ihr nicht. Außerdem hätte sie nicht die Kraft, den Deckel zu lösen und anzuheben.«
»Der Brunnen ist gemauert und verputzt«, dachte Heather laut. »Wir könnten über einem Stein Putz wegkratzen, dann über einem weiteren Stein ein Stück höher und immer so weiter. Bis ganz nach oben.«
»Es wäre einen Versuch wert«, sagte Moryn und begann am ersten Stein zu kratzen. »Wir müssen auch noch einen weiteren Stein ganz heraus lösen, damit wir oben was haben, um gegen das Holz zu schlagen.«
Die ersten Stunden kratzten sie schweigend. Danach
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