Welt Der Elben (1-3)
Bist du soweit?, sagte sein Blick. Sie nickte, und er setzte leise einen Fuß vor den anderen.
Sie kamen hinter einer breiten Treppe heraus. Ein Flurlicht verbreitete einen warmen Lichtkegel in der Eingangshalle. Heather und Moryn umrundeten auf Zehenspitzen die Treppe. Heather blickte nach oben zum ersten Stockwerk. Alles ruhig.
»Wir müssen die Waffe holen, falls er wach wird, während wir sein Haus durchsuchen«, flüsterte Aarab so laut in Moryns Ohr, dass Heather es hören konnte. Moryn nickte. Er ließ ihre Hand los und fasste sie mit beiden Händen an den Schultern. »Bitte warte hier!«, flüsterte er. Heather griff nach seinem Arm. »Bitte …« Sie stellte sich auf Zehenspitzen. Moryn beugte sich zu ihr herunter. Seine Wange berührte ihre. »Bitte, sei vorsichtig, ja?«, hauchte sie. Er nickte, drehte sich um und schlich zur Zimmertür. Aarab öffnete ganz langsam die Tür und über sein Gesicht huschte ein erschrockener Ausdruck. »Von Rittershausen ist nicht mehr da«.
»Ist er vielleicht schlafen gegangen?«, rätselte Tessya und sah sich mit ängstlicher Miene um.
»Oder nur auf die Toilette und gleich zurück. Wir sollten uns beeilen«, zischte Aarab. Er huschte ins Zimmer, Moryn und Heather schlichen hinterher. Aarab nahm die Pistole vom Tisch und balancierte sie vorsichtig wie ein rohes Ei in der ausgestreckten Hand.
»Schieb sie unter den Sessel!«, herrschte Heather ihn an.
»Warum?«
»Mitnehmen ist zu gefährlich. Er könnte uns die Waffe wieder abnehmen. Wir können sie nicht gebrauchen. Oder kannst du etwa schießen?«
»Nein.« Aarab bückte sich und schob den Revolver tief unter den dicken, braunen Ledersessel.
Wo war der verdammte Kerl eigentlich? Diese Frage lag übermächtig in der Luft.
Zu ihrem Entsetzen polterte der Vermisste plötzlich hinter ihnen. »Hey ihr Rotzlümmel, was macht ihr in meinem Haus? Wie seid ihr überhaupt…?«
Er stoppte abrupt. Ihm schien gerade einzufallen, dass er ohne Waffe dastand und damit deutlich wehrloser, als beim letzten Zusammentreffen.
»Weg da!«, brüllte er grob und schubste Moryn, der sich ihm entgegengestellt hatte, mit einem kräftigen Hieb gegen den Türrahmen.
Moryn schlug hart gegen die Rahmenkante und fiel ohne Gegenwehr um. Rittershausen stapfte an dem Bewusstlosen vorbei, als läge dort ein Sack Kartoffeln. Moryn rührte sich nicht. Aus einer Platzwunde an seiner Stirn sickerte Blut. Sehr viel Blut.
Tessya hatte sich offensichtlich neben der Treppe vor dem Mann geduckt. Jetzt erschien sie im Türrahmen, stieß einen Schrei aus und hielt sich die Hände vor den Mund.
Aarab ging zwei Schritte rückwärts in Richtung Fenster und hob beschwichtigend die Arme.
Von Rittershausen blickte sich suchend um. Er stolperte zu seinem ausgebeulten Sesselplatz, kniete auf dem Sessel und beugte sich zu dem Abstelltisch daneben. Hektisch griff er nach den Zeitungen und stieß das Cognacglas um.
Heather stand wie angewurzelt neben ihm. In der nächsten Sekunde sprang er zornesrot auf. Er hatte etwas aus der Seitentasche des Ledersessels herausgezogen und hob die Faust. Jetzt konnte sie es sehen. Es war ein Messer. Blitzschnell streckte er den Arm in ihre Richtung. Die lange Schneide blitzte im Kegel der Leselampe einmal auf.
Erschrocken versuchte Heather einen Schritt rückwärts ausweichen, aber hinter ihr stand ein weiterer Sessel. Mit Tränen in den Augen sah sie, dass Tessya sich neben den regungslosen Moryn gehockt hatte und mit bloßen Händen die Platzwunde zudrückte. Zalym stand blass und wie gelähmt hinter den beiden.
Heather wollte schreien, aber ihre Stimmbänder versagten. Sie überlegte fieberhaft.
Jetzt! Jetzt muss ich es beenden, aber wie?
Mit zitternden Händen griff sie nach ihrer Halskette mit dem Christopherus-Medaillon. Ein Geschenk ihres Vaters. »Er beschützt die Reisenden«, hatte er gesagt. Sie tastete weiter und erwischte den Muschelanhänger. Das Gefäß des Vergessens. Panisch riss sie daran. Die Öse gab nach, und Heather hielt die Muschel mit der eingravierten Schlange in der Hand.
Wenn die Schlange ihre Arbeit nicht machen kann, dann richtet sie sich gegen dich – so ähnlich hatte die Priesterin sich ausgedrückt.
Ich muss das Gefäß öffnen. Jetzt!
Vielleicht würde sich eine magische Kraft darin entfalten, vielleicht Schlangengift. Und sich gegen Anselm von Rittershausen richten. Vielleicht würde er alles vergessen und nicht sie. Wäre das die Lösung?
»Was ist das?«, fragte er, und seine
Weitere Kostenlose Bücher