Welt Der Elben (1-3)
wieder prächtig hingekriegt.
Von einem auf den anderen Moment wurde es plötzlich noch dunkler.
»Ich seh nichts mehr!«, flüsterte sie.
Zalym griff nach ihrer Hand. »Wir sehen aber noch was«, sagte er mit fester Stimme.
Bloß nicht loslassen! Hörst du.
Hinter ihrem Rücken flogen hektisch Vögel auf und kreischten durch die todschwarze Nacht. Heather stolperte, fing sich im letzten Moment und lief angstvoll weiter. Ihre Beine fühlten sich taub und wie aus Gummi an. Tatsächlich kamen sie dem durch die Dunkelheit wabernden, zarten Nebelschleier langsam näher. Jede weitere Sekunde – jeder Schritt wurde zur Qual. Heather war, als hörte sie etwas hinter ihrem Rücken fauchen.
Noch zwei rettende Schritte, und sie standen endlich unter dem milchig-weißen Außenlicht. Als Heather zurück blickte, meinte sie zwei grüne Katzenaugen blitzen zu sehen.
Nach einer Stunde kamen sie an einen Lichtwall aus dichtem, weißem Nebel. Er reichte bis zum Himmel und brachte die Sterne zum Erlöschen. Sie berührte mit ausgestreckter Hand die Nebelbank.
»Kommst du?«, rief Tessya.
»Was ist das?«
»Das ist der Lichtwall für die Siedlung. Er umschließt die Stadt und schaltet sich automatisch bei Sonnenuntergang ein. Immer! Das ist wegen der Zeemus.«
Warum werde ich den Verdacht nicht los, dass die zusätzliche Lichtbarriere so löchrig war wie ein Schweizer Käse?, dachte Heather bei sich und schwieg, bis sie endlich nicht mehr zitterte.
»Warum heißen bei euch eigentlich die Rucksackschnallen wie die Zeemus?«, fragte sie, nachdem auch ihr Atem wieder ruhiger ging.
Tessya lachte. »Schnapp, und sie ist auf, schnapp, und wieder zu! Wie das Maul eines Zeemus: schnapp auf, schnapp zu …«
»Und weg bist du!«, brüllten die Elben im Chor und lachten.
Heathers Magen drehte sich um. Blöde Hühner »Und Moryns Drachenschnalle?«
»Zwei Flügel, die du zusammenschieben musst. Sieht hübsch aus, taugt aber nichts«, antwortete Tessya.
Moryn brummte etwas Unverständliches.
»Gibt es bei euch etwa Drachen?«
Die Elben schwiegen.
»Hey, gibt es bei euch Drachen?«
Moryn räusperte sich. »Man munkelt, im Verbotenen Aionland . Aber auf dem Kontinent leben keine Elben.«
39 Gerüchte
» T essyaaa!« Eine Elbin lief auf Tessya zu. Die beiden umarmten sich und unterhielten sich abwechselnd in Spanisch und in einer weiteren Sprache, die Heather nicht kannte. Zwischendurch blickten sie kurz zu ihr herüber.
Heather betrachtete die Unbekannte. Sie hatte schräg stehende Katzenaugen und die längsten Wimpern, die Heather jemals gesehen hatte. Die hellbraunen Haare reichten der Elbin bis zum Po. Warum ist Schönheit so ungerecht verteilt?, dachte sie und wünschte sich in ein Mauseloch.
Moryn begrüßte die Schöne. Er lächelte und umarmte sie. Zalym deutete sogar rechts und links ihrer bronzefarbenen Wangen Küsschen an.
So also verhalten sich Elben untereinander! Heather fühlte sich wie ein lästiges Anhängsel. Geduldet, weil sie etwas besaß, das die anderen nicht haben konnten.
Tessya legte den Arm um ihre Freundin und strahlte. »Das ist Heather! Heather, das ist Kynka, Kynka Kon, meine allerbeste Freundin!«
Kynkas Händedruck war lasch.
»Hallo Kynka, freut mich.« Heather musste grinsen. Kynka Kon klingt wie der Gorillaname King Kong. Wenigstens hast du den hässlichsten Namen abgekriegt, den ich jemals gehört habe.
Kynka hakte sich bei Tessya unter und die beiden schritten Arm in Arm den Weg entlang.
»He, wohin?«
»Erst einmal zu mir und Tante Martha.« Kynka ordnete mit einer Hand ihr langes Haar. »Das liegt auf dem Weg.«
Auf welchem Weg? , dachte Heather und folgte ihnen.
Im Dunst der Nacht lag vor ihnen eine verstreute Siedlung, angeschmiegt an mehrere Hügel. Hier und da gab es kleine Sandsteinhäuser, dazwischen Urwaldbewuchs und einige Hausbäume.
In der Ferne lag auf einem Hügel ein riesiger Tempel oder Palast mit einem markanten viereckigen Turm. Links befand sich eine alles überragende Pyramide, und dazwischen lagen mehrere palastähnliche Gebäude. In einem dieser Gebäude musste die Priesterin Maya leben. Aber in welchem? Heather konnte sich nicht mehr so genau an die Beschreibungen der Elben erinnern.
Sie kamen an einen Hausbaum, aus dessen geöffnetem Eingang warmes Licht quoll. Eine Frau winkte ihnen zu. »Deine Mutter?«
»Aber nein doch!« Kynka warf Heather einen verächtlichen Blick zu. »Meine Mutter ist viel jünger. Das ist Tante Martha.«
Martha drückte
Weitere Kostenlose Bücher