Welt Der Elben (1-3)
ab und zeigte auf das vergilbte Bild, das darunter verborgen gewesen war.
»Das ist Vater vom Honorarkonsul. Ist lange tot.« Sie nahm das Bild vom Haken, wischte mit dem Schürzenzipfel den Staub ab und las den Text auf der Rückseite. »Foto ist von 1910.«
»Ist er früh gestorben?«
»Nein, er wurde achtzig Jahre alt. Er war ein …« Sie suchte nach dem passenden Wort. »Ein Abenteurer. Hat sehr spät noch Sohn bekommen. Mit sechzig Jahren erst.« Sie machte eine ausschweifende Armbewegung. »Der Herr Honorarkonsul hat mit zwanzig Jahren alles hier geerbt. In dem Jahr ich hier haben angefangen zu arbeiten.« Sie lächelte. »Ich hier seit vierzig Jahren beschäftigt und kein Tag krank.« Maria hängte das Bild zurück und ging vor in Richtung Ausgang.
»Der Herr Honorarkonsul haben auch die nackten Griechen vom Vater geerbt. Ich mich an sie nie gewöhnen.« Sie wies mit ausgestrecktem Arm auf zwei lebensgroße, marmorne Figuren, die den Eingang säumten. Eine Frau mit einer Harfe und ein Mann mit abgebrochenen Armen. So etwas hatte Heather bisher nur in Museen gesehen.
»Junger Mann«, Maria wackelte mit dem Zeigefinger und blickte Moryn an, »Sonnenbrille im Haus ist unhöflich. Ist wie Hut im Haus.«
»Tschuldigung«, stammelte Moryn.
»Das ist eine Brille mit Dioptrien. Ohne die sieht er nichts«, log Heather für ihn.
Maria warf den Lavendelstrauß in einen Papierkorb, richtete sich auf und nickte verständnisvoll. »Gute Brille. Ich auch brauchen.« Sie blickte auf Zalym, schwieg dann aber. Er lächelte und säuselte mit seiner charmantesten Stimmlage: »Muchas gracias« (vielen Dank).
»De nada« (bitte schön), antwortete Maria und winkte ihnen hinterher. »Gute Reise!«
Erst hinter dem Tor atmete Heather auf. Sie war furchtbar enttäuscht. Beinahe hatten sie sich um Kopf und Kragen geredet und nichts, aber auch absolut nichts erreicht.
Moryn fand endlich seine Sprache wieder. »Der Herr Honorarkonsul «, äffte er Maria nach. Er blickte auf das Klingelschild. »Wie heißt der Herr Honorarkonsul eigentlich?« Er las vor: » Anselm von Rittershausen« .
Heather wäre beinahe in Ohnmacht gefallen. Sie hustete und drehte sich weg. Das, was sie über ihn wusste, musste sie unbedingt für sich behalten. Die Elben durften auf gar keinen Fall etwas davon erfahren. Vor allem Kynka nicht.
45 Katz und Maus
/ M oryn, können wir mal wieder miteinander telefonieren? Ich hätte da noch ein paar Fragen.
K.v.O./
/Muss das sein? Wir haben doch erst gestern miteinander telefoniert. Ich bin müde.
Moryn./
/Ja, bitte! Schalte dein Telefon ein.
K.v.O./
/Später!
Moryn./
/Was ist passiert? Stimmt es, dass die Priesterin extra für euch ihre Schutzglocke erweitern musste?
K.v.O./
/Ja!
Moryn./
/WARUM???
K.v.O./
Genervt starrte Moryn auf den Bildschirm seines Computers. Irgendwann müsste er sich den Fragen seines alten Herrn stellen. Warum konnte er ihn nicht in Ruhe lassen? Ein Mal, nur ein einziges Mal. Aber nein, das konnte er natürlich nicht. Und immer, wenn er förmlich wurde, unterschrieb er mit K.v.O. Wie ihn das anödete.
Zalym und Tessya – die hatten es gut. Ihre Eltern lebten irgendwo im Süden und mischten sich nie in die Ausbildung ein, die sie im Nischenland erhielten.
Plötzlich hatte er eine Idee. Ein Mundwinkel zuckte – er liebte Antworten auf nicht gestellte Fragen – und gerade in diesem Moment fand er besonders viel Gefallen daran. Im Grunde seines Herzens wusste er, dass er bei diesem Katz-und-Maus-Spiel die Maus war. Und er wusste, dass sein alter Herr nicht locker lassen würde … Aber er hatte jetzt noch keine Lust nachzugeben.
Mit fliegenden Fingern tippte er die Worte, die fürs Erste genügen sollten – und er entschied sich für eine kleine Provokation:
/Danke, der Nachfrage. Mir geht es AUCH gut!!!
Dein Sohn Moryn./
46 Misstrauen
T essya war noch immer mit Kynka unterwegs. Heather hatte geduscht und sich umgezogen. Nun lag sie auf ihrem Bett und ruhte sich von den Strapazen des Marsches in der Mittagshitze aus. Sie hatte einen leichten Sonnenbrand auf der Stirn. Um sich abzulenken, schlug sie ihr Tagebuch auf und schrieb hinein:
* Neunter Tag: Maya Amylla bestätigt, dass ich eine Pakal-Nachfahrin bin. Wir haben nichts in den Ruinen herausgefunden. Es gibt einen ersten Verdacht. Die Entführer von Maarloy müssen Menschen sein. Maya ist laut Aussage ihrer Schwester in Berlin oder in Frankfurt. Unklar ist, ob ein
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