Welt Der Elben (1-3)
ihrem Sohn zu Heather auf die Sessel in der Saalmitte.
Olvyn brachte Kekse und stellte sie auf einem kleinen Tischchen ab. Maya hielt das Schälchen hoch.
»Greif zu! Kekse sind die Lotsen ins Reich der stillen Stunde.«
Heather sah sie fragend an.
»Sie erleichtern uns den Weg zu den guten Gedanken«, erklärte die Priesterin.
»Na, wenn das so ist«, sagte Heather und biss anstandshalber in einen Keks.
Er schmeckte nach Mehl und Zimt ohne Zucker. Sie kaute und die guten Gedanken wollten sich nicht einfinden.
Maarloy hingegen schien Gefallen an den staubigen Keksen gefunden zu haben. Er verschlang einen nach dem anderen, hustete und griff dann zum nächsten. Ihr dämmerte, dass er hungrig war.
»Leider gibt es nicht viel Neues«, sagte Maya. »Mein Sohn wurde in der Nacht schlafend aus seinem Bett entführt.« Ein Schatten huschte über ihr Gesicht, sie strich ihrem Sohn zärtlich über Schulter und Arm.
Heather erfasste eine innere Unruhe. Wenn ihr Verdacht stimmte, dann war Maarloy nach wie vor nicht sicher – niemand hier.
»Wie konnte das geschehen?«, wisperte sie.
»Man hat ihn betäubt und in eine Kiste gesperrt. Irgendwo in einem Kellerraum. Der Raum war feucht und muffig. Einmal meinte er, eine Frauenstimme aus den oberen Räumen gehört zu haben. Er sagt, es könnte Maya Elda gewesen sein. Dann könnte er in Palenque gewesen sein. Es ist durchaus möglich, dass er meine Schwester gehört hat, als sie versucht hat, ihn freizukaufen.«
Also doch! Ich liege richtig, dachte Heather.
»Er ist sich sicher, dass er vor ein paar Tagen in ein Flugzeug verladen wurde. Der Flug dauerte viele Stunden. Er weiß nicht, wie lange, da er zwischendurch vor Hunger und Durst immer wieder in Ohnmacht fiel. Gesehen hat er eigentlich nur einen Mann. Der war stets vermummt. Er sprach mit ihm anfangs garnicht, und später abwechselnd auf spanisch und deutsch.«
Aha, dachte sie, Anselm von Rittershausen. Das würde zu ihm passen.
Mayas Hände zitterten leicht. »Dann wurde mein Sohn ohne Erklärung in den Kofferraum eines Autos verfrachtet und an einem Torbaum am Rande Berlins ausgesetzt. Als das Auto abgefahren war, hat er die Augenbinde abgenommen und die Handfesseln durchgebissen.«
Heather beugte sich überrascht vor. »Wie hast du das denn hingekriegt?«
Zum ersten Mal zeigte sich ein Anflug von Leben auf Maarloys Antlitz. Der Junge streifte den Umgang ab und hob die Hände.
Er trug unter der traditionellen Kleidung ein dünnes Shirt und sie konnte nun sehen, wie abgemagert er war. Voller Mitgefühl bemerkte sie, dass der kleine Finger der linken Hand dick verbunden und geschient war. Offenbar eine Verletzung, die mit der Entführung zusammenhing.
Wortlos legte er seine Arme nach hinten auf den Rücken, er faltete die Hände und schob die Arme über den Kopf hoch, indem er die Schultergelenke ausrenkte und vor der Brust wieder einrenkte.
Heather riss die Augen auf. »Die Nummer ist zirkusreif!«
Maarloys Lippen umspielte ein winziges Lächeln.
»Da er direkt vor einem Torbaum stand, konnte er sofort flüchten«, erläuterte Maya.
In Heathers Kopf fügte sich alles zusammen. Nur ein Elb wüsste, wo sich in Berlin der nächstgelegene Torbaum befand. Jemand wie Maya Elda. Hatte sie ihn dort zurückgelassen?
Die Priesterin sah ihren Sohn traurig und mitfühlend an. Erstmals ergriff ihr Sohn selbst das Wort. Seine Stimme war leise und heiser. »Ich habe von dort den direkten Tunnel nach Port Olva genommen. Am nächsten Morgen bin ich gleich weiter nach Atylantys. Dort übergab mir der Priester Toryn Reem ein Päckchen, das Maya Elda auf ihrer Durchreise vor einer Woche für mich hinterlassen hatte. Ich öffnete es. Darin befand sich ein silbernes Gefäß, ein Seelenfänger. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Der Yrrwanderer kam sofort zu mir und begab sich freiwillig hinein. Ich habe ihn mitgebracht.«
»Also hat Maya Elda den Yrrwanderer ausgesetzt!«
»Jedenfalls wusste sie von ihm und wie er einzufangen ist.« Auf Mayas Stirn zeigte sich eine Falte.
»Konnte man ihn befragen?«
»So schnell nicht. Er zieht es noch vor zu schweigen.«
Maarloy hatte die Kekse verspeist. Er saß regungslos im Sessel und starrte auf seine Hände. Der verbundene Finger der linken Hand stand steif ab. Heather bemerkte, wie er die Lippen fest aufeinander presste. Offenbar hatte er Schmerzen. Er tat ihr entsetzlich leid. Mehr denn je spürte sie, dass auch sie sich in große Gefahr bringen konnte. Ein falscher Schritt, und
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