Welt Der Elben (1-3)
stellte Kynka fest.
Heather schauderte vor den Spinnen. Sie horchte auf ihre Schritte, die von den Wänden zurückhallten. Der Gang verlor sich hinter einer Kurve. Dahinter bot sich dasselbe Bild. Dann kam noch eine Kurve, wieder ein Gang, eine Kurve und immer weiter …
Selbst die Jungs schienen erleichtert, als sie den Durchgang endlich hinter sich hatten. Heather schüttelte ihr Haar, falls sich eine Spinne dort niedergelassen hatte.
Draußen nieselte es leicht. Ein schmaler Pfad führte direkt zum nächstgelegenen Torbaum. Nach zwanzig Minuten waren sie angelangt. Mittlerweile regnete es Bindfäden. Ein Wächter grüßte und fragte nach dem Grund ihrer Passage.
»Es geht um die vermisste Priesterin«, erklärte Moryn.
Der Wächter lächelte plötzlich. »Du bist Heather, nicht wahr?«
Die Gerüchteküche funktionierte im Elbenland offenbar ganz ausgezeichnet. Der einsetzende Platzregen verhinderte jede weitere Konversation. Der Wächter öffnete, und die Gruppe huschte auf die andere Seite hindurch. Dort nieselte es zwar nur verhalten, aber der Sprühregen war so fein, dass er mühelos die Fasern durchdrang und unter die Kleidung kroch. Auch war es hier merklich kühler als im Elbenland. Hätten sie Jacken mitnehmen sollen? Nur Moryn hatte daran gedacht und zupfte seine aus dem Rucksack hervor.
»Hier!« Er hielt sie Heather hin. »Du bist die Einzige mit kurzen Ärmeln. Ich brauch sie nicht.«
Sie konnte nicht in seinem Gesicht lesen, es schien ihr, als bemühte er sich, nicht allzu nett zu wirken.
»D-Danke!«, stotterte sie und fühlte sich schlecht, weil Kynka ganz offensichtlich ebenfalls fror. Die Elbin hatte die Arme verschränkt und blickte zum Himmel. Die Sonne steckte hinter einer dicken, schwarzen Wolke.
Tessya legte einen Arm um Kynka. »Gleich kommt sie raus und dann wird es wärmer!«
Heather senkte den Blick. Vorsichtig, als könne sie etwas kaputt machen, zog sie die Jacke über und sah sich unglücklich um. Sie kannte sich ebenso wenig wie die anderen in Berlin aus. Vor ihnen lag eine Autobahn und dahinter kragten im grauen Dunst die trostlosen Umrisse eines heruntergekommenen Stadtteils wie ein Ungeheuer hervor. Es schien, als gäbe es hier nur graue Hochhäuser und bröckelnde Fassaden. Kein Ort zum Bleiben.
Unwillkürlich zog sie die dunkle Strickjacke enger – sie roch fremd und vertraut zugleich.
»Moryn, hast du dir gemerkt, wo er sein Büro hat?«, fragte Zalym.
»Einen Moment.« Moryn zupfte einen silbernen Computer aus seiner Brusttasche.
Zalym riss die Augen auf. »Wo hast du den denn so schnell herbekommen?«
»Sag ich nicht. Betriebsgeheimnis. Aber seid euch gewiss, dass ich den nicht mehr aus den Augen lasse.«
Er öffnete den Computer, startete das System und blätterte durch ein paar Seiten, dann blickte er auf. »Ich hab’ die Adresse.«
53 Die Höhle des Löwen
S ie liefen einen halben Tag durch Berlin, bis sie endlich am Tiergarten ankamen. Bald darauf hielten sie sich nördlich Richtung Regierungsviertel. Trotz der Hilfe des Navigationsprogramms standen sie erst abends nach Büro- und Geschäftsschluss vor dem Gebäude. Nur die Eingangshalle war noch erleuchtet. Hinter dem Empfangstresen saß ein Pförtner oder Nachtwächter.
»Seht ihr da oben die fünfte Etage? Da, wo alles dunkel ist? Da müssen wir hin«, sagte Moryn und wies mit einem unauffälligen Nicken dorthin.
Heather legte den Kopf in den Nacken. »Und wie kommen wir da rein?«
»Mist!« Tessya verdrehte die Augen.
»Der Pförtner ist ein echtes Problem«, sagte Zalym.
»Kommt hinters Haus!«, forderte Moryn sie auf. Sie umgingen das Gebäude und gelangten in eine stille Nebengasse.
Heather zeigte auf eine Feuerleiter. »Da etwa hoch?«
»Nö, damit jeder zugucken kann?« Moryn tippte sich an die Stirn. »Ich habe einen Steinschieber dabei.«
Zalym schnalzte mit der Zunge. »Wow, Moryn, du denkst aber auch an alles!«
Sicher würde Heather bald erfahren, was ein Steinschieber ist. Ungeduldig zupfte sie an Tessyas Ärmel. »Was meint er?«
»Eigentlich ist es ein Stonepusher, weil das Gerät zum ersten Mal in Südengland ausprobiert wurde…«
»Tessya, bitte jetzt keine Vorträge!« Heather hob abwehrend beide Hände.
»Schon gut! Das ist ein elektromagnetischer Schieber zur Manipulation der räumlichen Dimensionen. Damit lässt sich ein vorübergehender Raum erschaffen, ähnlich wie bei den Tunneln oder den Hausbäumen.« Tessya senkte die Stimme. »Auf Tellus ist dieser Raum
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