Welt Der Elben (1-3)
Ratte rannte ihm über die Füße. Wortlos blickte er dem Tier hinterher.
Heather spürte wie ihr das Blut mit einem Schlag aus dem Gesicht entwich und ein Kribbeln sie am ganzen Körper erfasste. Der Grund war nicht die Maus, nein, ihr dämmerte etwas. Es schrie sie förmlich an, und doch konnte sie es nicht packen. Im Geiste sah sie noch einmal das Foto vor Augen, das sie im Büro hatte mitgehen lassen. Lyga mit diesem Mann. Dem Vater! Eine Jugendliebe vor hundert Jahren. Lange her, der Mann war schon ewig tot. Die beiden waren auf dem Foto noch ganz jung. Er hatte den Sohn erst im späten Alter bekommen, und Lyga war nicht die Mutter. Gab es trotzdem irgendeine Verbindung?
Heather knetete die Hände. Lyga hat den Zyrrusschlüssel an einen Menschen verloren. Es hat sie beinahe die Karriere gekostet. Hat sie den Mann verlassen, um das Vertrauen der Priesterin zurückzugewinnen?
Mittlerweile hatte Moryn alles inspiziert und kletterte hinter einem Stapel Kisten hervor.
Doch Heather stellte sich vor ihn und schloss die Tür leise von innen.
Verdutzt sah er sie an.
»Moryn, wir müssen dringend etwas bereden.«
»Jetzt? Hat das nicht Zeit bis später?«, flüsterte er.
Sie zögerte, doch dann gab sie nach. »Okay nachher. Gleich draußen. Ja?«
Für einen Moment hatte sie das Gefühl, die Zeit rann ihr davon. Das Bild einer Sanduhr drängte sich in ihre Gedanken. Sie wollte darüber nachdenken, was später bedeutete …
»Später, ja?«, hauchte sie kaum hörbar.
Moryn trat einen Schritt näher, sie konnte ihn atmen hören – so dicht. Dann umklammerte er den Türgriff.
»Später, ja!«, antwortete er.
Heather und Moryn suchten alle Räume und Nebengänge auf dem Weg durch den Keller ab. Wenn Türen verschlossen waren, bahnten sie sich mit Hilfe des Steinschiebers einen Durchgang durch das Gemäuer. Dann waren sie am hinteren Ende des Kellers angelangt.
Heather war enttäuscht. »Vielleicht hatten Tessya und Kynka auf der anderen Kellerseite mehr Glück«, flüsterte sie.
»Hoffentlich.«
»Dann zurück!«
»Gleich. Ich teste nur schnell, ob es sich um eine zugemauerte Stelle handelt«, flüsterte Moryn. Er prüfte die Wand mit dem Steinschieber, indem er das Gerät in kreisförmigen Bewegungen über die Mauer gleiten ließ. Das darunter liegende Gestein wurde glasig und sah aus wie grüner Wackelpudding.
Prompt lief Wasser durch die geöffnete Wand über ihre Füße und den Kellergang abwärts.
Das Loch in der Mauer legte den Blick auf einen Bach frei. Draußen schien der Mond. Er spiegelte sich im schwarzen Grund. Durch den plötzlichen Abfluss in der Mauerwand war das Wasser ins Strudeln geraten. Tausende kleine Wellen brachen das auftreffende Mondlicht und glitzerten wie Silberfolie. Eine Fledermaus flog an der Mauer vorbei.
Heather wich zurück. Was wäre, wenn Maya Elda dort hinter diesen Mauern irgendwo tot lag? Da würde sie niemals jemand finden.
Moryn hob den ausgestreckten Arm mit dem Steinschieber in der Hand. Er drückte auf einen Knopf und ließ das Gerät über dem Loch kreisen. Die aufgeweichte Mauer begann sich langsam zu verschließen. Es entstand eine Art wabbeliges Gummi. Mit der freien Hand half er nach, indem er das Gel zusammenschob. Die gelöste Masse stockte, wurde grau und härtete zu Stein. »Erledigt. Wir müssen zurück«, sagte er.
Schweigend machten sie sich auf den Rückweg. Beide hatten nasse Füße.
Lagen sie in allem wirklich so falsch? War Maya doch nicht hier? Heather blickte auf Mayas Lebensband. Selbst in dem dunklen Keller zeigte der dritte Kristall nicht mehr als ein schwaches Glimmen. Bald würde er ganz erlöschen und so weißgrau aussehen wie die anderen Steine.
Was würde werden, wenn sie es nicht beenden konnte? Wären Klimakatastrophen dann die Zukunft beider Welten? Oder wäre Maarloy bald stark genug, um das Amt auszufüllen? Und was sollte sie mit dem Gefäß des Vergessens machen? Es einfach öffnen, um ihr Versagen und die Elben zu vergessen? Damit sie zurück zu den Menschen konnte?
Moryn schien Heathers Gedanken zu erraten. »Vielleicht haben die anderen ja die Priesterin gefunden!«, flüsterte er.
»Ja, vielleicht.«
Sie bogen ab. Hinter der Ecke lag die Kreuzung, an der sie sich getrennt hatten. Als sie näher kamen, tauchten Tessya und Kynka in der Dunkelheit auf. Kynka sah still und blass zu Boden. Tessyas Augen leuchteten wie Katzenaugen durch das Dunkel. Für einen Moment wunderte sich Heather über das intensive Neongrün.
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