Welt im Fels
auf, schlief wieder ein. Seine Haut war heiß und er träumte, und manchmal wußte er nicht, ob er im Wachen träumte oder schlief.
Gegen Morgen mußte das Fieber ausgebrochen sein, denn er erwachte frierend und sehr durstig. Er taumelte zum Ufer, schöpfte Wasser mit den Händen und trank und benetzte sein Gesicht mit Wasser. Er fühlte sich zerschlagen, sein ganzer Körper schien eine Wunde zu sein, die vielen kleinen Schmerzen hatten sich zu einer alles umfassenden Qual vereinigt. In seinem Kopf spürte er das Fieber, und seine Gedanken waren unbeholfen – aber ein Gedanke kehrte immer wieder: Er war Coatlicue entkommen. Aus irgendwelchen Gründen hatte sie ihn im Wasser nicht gefunden. War es so gewesen? Er würde es leicht genug feststellen können; sie würde bald wiederkommen, und er konnte auf sie warten. Er war der Göttin einmal entkommen – es würde ihm wieder gelingen.
Er schüttelte kichernd den Kopf, stand auf und taumelte nach Westen davon, am Rand des Sumpfes entlang. Von hier war die Göttin gekommen, und hier würde sie wahrscheinlich wieder auftauchen. Wenn sie es täte, würde er sie von weitem sehen. Als das Ufer eine Biegung machte, merkte er, daß er die Stelle erreicht hatte, wo der Fluß in den Sumpf mündete, und die Vorsicht trieb ihn ins Wasser zurück.
Der Himmel rötete sich, und die letzten Sterne verblaßten, als die Göttin zurückkam. Reglos blieb er auf seinem Platz, sank aber tiefer ins Wasser, bis nur noch die Augen über der Oberfläche waren. Coatlicue hielt nicht an, sondern stapfte schwerfällig am Flußufer entlang.
Als sie vorbeiging, hob er sich langsam aus dem Wasser und sah ihr nach. Sie entschwand seinen Blicken am Rand des Sumpfes, und er war allein, während das Licht eines neuen Tages die Gipfel der hohen Berge vor ihm vergoldete.
Als es taghell war, folgte er ihr.
Es bestand jetzt keine Gefahr. Coatlicue war nur bei Nacht unterwegs, und es war nicht verboten, diese Teile des Tales bei Tage zu betreten. Ein Hochgefühl des Sieges überkam ihn – er folgte den Spuren der Göttin. Er hatte sie vorbeigehen sehen, und hier, in dem eingetrockneten Schlamm sah er ihre unförmigen Fußabdrücke. Vielleicht ging sie diesen Weg Nacht für Nacht, denn es war ein ausgetretener Pfad, dem er folgte. Der Pfad führte um den Sumpf herum und auf die massive Felswand zu.
Hier war eine Felsspalte. Große Blöcke lagen zu beiden Seiten, und es erschien unmöglich, daß sie einen anderen Weg genommen hatte, es sei denn, sie war geflogen, was Göttinnen ja vielleicht konnten. Aber wenn sie gelaufen war, mußte sie geradeaus gegangen sein, in den Fels hinein.
Chimal drang in die Spalte ein, als plötzlich ein Heer von aufgestörten Klapperschlangen und Skorpionen zum Angriff überging.
Der Anblick war erschreckend. Er wich schleunigst zurück, kletterte auf einen Felsblock und zog die Füße hoch. Er kletterte höher hinauf und legte eine Hand über die obere Kante des Blocks – da schoß es ihm heiß durch den Arm. Es war den Biestern nicht entgangen, ein großer Skorpion hatte seinen Stachel in sein Handgelenk gebohrt.
Mit einer haßerfüllten Bewegung warf Chimal ihn auf den Stein und zerquetschte ihn unter seiner Sandale. Es waren noch mehr von den Insekten auf der flacheren Rückseite des Blocks, und er zertrat sie und stieß sie mit den Füßen hinunter. Dann rieb er sein Handgelenk an der scharfen Steinkante, bis es blutete, und versuchte das Gift herauszusaugen. Der Schmerz in seinem Arm war überwältigend und ließ ihn all die anderen Schmerzen in seinem geschundenen Körper nicht mehr fühlen.
War diese ekelerregende tödliche Welle für ihn bestimmt gewesen? Eine Waffe der Götter? Er wußte es nicht und wollte auch nicht darüber nachdenken. Das Gift machte ihn schwindelig – und gleichzeitig euphorisch. Er hatte das Gefühl, er könnte alles, und es gab keine Macht auf der Erde, die ihn aufhalten konnte.
Als die letzte Schlange und das letzte Insekt wieder in den Rissen des Gesteins verschwunden waren, glitt er vorsichtig von seinem Felsblock und drang weiter vor. Der Pfad wand sich zwischen großen, scharfkantigen Steinen dahin und führte dann in die Felsspalte in der Wand. Der senkrechte Riß war hoch, aber nicht sehr tief. Chimal stand plötzlich vor der massiven Steinwand.
Es gab keinen Ausweg. Der Pfad führte in eine Sackgasse. Chimal lehnte sich an das rauhe Gestein und rang nach Atem. Das hätte er sich denken sollen. Wenn Coatlicue in fester
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