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Welt im Fels

Welt im Fels

Titel: Welt im Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Harrison
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schwer zu beschreiben. Der Tunnel führte weiter, anscheinend geradeaus, aber an dieser Stelle sah es so aus, als zweige ein weiterer Tunnel nach rechts ab. Vor dieser dunklen Öffnung war in die Felsendecke darüber etwas eingelassen, das glühte. Es war eine runde Fläche und sah glatt und weiß aus, aber es ging Licht davon aus. Als ob eine Röhre dahinter wäre, ein Fenster, durch das die Sonne hereinschien. Er ging darauf zu und sah hinauf, aber auch aus der Nähe betrachtet war nicht zu erkennen, was es war. Aber darauf kam es jetzt nicht an. Es gab Licht hier im Felsen, mehr brauchte er nicht zu wissen. Es war wichtiger, herauszufinden, wohin dieser zweite Tunnel führte.
    Chimal trat hinein, um nachzusehen – und starrte auf die beiden Köpfe von Coatlicue, nicht mehr als eine Armeslänge vor seinem Gesicht.
     
    Sein Herz machte einen ungeheuren Satz. Der Schreck schnürte ihm die Kehle zu und nahm ihm den Atem. Die Göttin stand vor ihm, mehr als doppelt so groß wie er, und starrte mit ihrem unbeweglichen Schlangenblick ihrer runden roten Augen auf ihn herab. Ihre Giftzähne waren so lang wie seine Hand. Ihr Rock aus lebenden Schlangen befand sich in der Höhe seines Gesichts. Kränze aus getrockneten Menschenhänden und -herzen hingen um ihren Hals. Die großen Schneidkanten ihrer Scheren waren dunkel von verkrustetem Menschenblut.
    Sie rührte sich nicht.
    Sekunden vergingen, bis Chimal bemerkte, daß die Göttin in einer Art Schlaf erstarrt zu sein schien. Ihre Augen waren zwar geöffnet, aber sie rührte sich nicht. Sah sie ihn überhaupt? Er machte einen zögernden Schritt in den Haupttunnel zurück, machte kehrt und rannte, bis die Beine unter ihm nachgaben. Er stolperte, stürzte auf dem rohen Steinfußboden und rang keuchend nach Atem. Immer noch schlug Coatlicue nicht zu. Er hob den Kopf und spähte durch den Tunnel zurück, der in seiner ganzen Länge durch die Lichtpunkte markiert war, die nach hinten immer kleiner wurden. Er wurde nicht verfolgt.
    »Warum?« fragte Chimal laut, aber der Fels gab keine Antwort. In der Stille überkam ihn eine andere Art von Angst. Würde er je ein Ende dieses Tunnels außerhalb des Tales finden? Oder war er in ein Reich der Götter eingedrungen, wo er in einem Labyrinth von Gängen umherirren würde, bis er schließlich irgendwo starb.
    Nachdem er an weiteren acht der glühenden Flecken vorbeigekommen war, sah er das Tunnelende. Als er näherkam, erkannte er, daß es nicht wirklich das Ende war, sondern, daß der Tunnel nur in einen weiteren einmündete, der sich nach links und rechts erstreckte. Dieser Tunnel hatte glattere Wände und war viel heller als der erste, und der Boden war mit einem weißen Material bedeckt. Er bückte sich, um es anzufassen – und zog seine Hand erschrocken zurück. Es war warm und weich – für einen Augenblick hielt er es für ein großes weißes Tier, das hier hingestreckt lag. Aber, obgleich es warm und weich war, schien es nicht zu leben. Zögernd trat er darauf und wagte ein paar Schritte. Es bewegte sich nicht.
    Zur Rechten verlief der Tunnel mit gleichförmigen, ununterbrochenen Wänden, so weit er sehen konnte, aber zur Linken entdeckte er dunkle Rechtecke an beiden Seiten des Ganges. Sie interessierten ihn, deshalb wandte er sich in diese Richtung. Als er näherkam, sah er, daß es eine Tür war, mit einem Griff daran und anscheinend ganz aus Metall. Er drückte und zog an dem Griff, aber es geschah nichts. Er ging weiter, kam an zwei weiteren Metallplatten vorbei, und gerade als er sich der dritten näherte, öffnete sich diese.
    Er duckte sich zum Sprung, die eine Faust geballt, in der anderen die abgebrochene Machete, und wartete, was auftauchen würde.
    Eine schwarz gekleidete Gestalt trat heraus, schloß die Tür hinter sich und trat auf ihn zu. Er blickte in das Gesicht eines jungen Mädchens.
    Die Zeit schien stehenzubleiben, als sich die beiden reglos gegenüberstanden und mit dem gleichen Ausdruck ungläubigen Staunens anstarrten.
    Ihr Gesicht war zweifellos das eines Menschen, und als er sich ihre schwarze Kleidung näher ansah, erschien ihm auch ihr Körper darunter normal menschlich zu sein. Aber das Merkwürdige ihrer Aufmachung verwirrte ihn. Eine Kapuze aus glänzendem schwarzem Material bedeckte ihren ganzen Kopf und ließ nur das Gesicht frei, das schmal, sehr blaß und krank wirkte, mit dunklen, weit aufgerissenen Augen und schmalen schwarzen Augenbrauen, die über der Nase zusammengewachsen waren. Sie

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