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WELTEN-NEBEL

WELTEN-NEBEL

Titel: WELTEN-NEBEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Buchmann
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Geheimnisse einzuweihen, die die Bewahrerinnen schützen. Auch konnte sie ihr dann gestatten, weitere Aspekte ihrer Gabe zu benutzen. Bis jetzt hatte sie ihr mit Bedacht nur die Kommunikation beigebracht, denn diese erforderte nicht, dass Ewen in Wilkas Geist eindrang. Die Rufe konnten ihren Geist nur erreichen, wenn Wilka sie einließ. Es bestand also keine Gefahr, dass Ewen unbeabsichtigt Gefühle oder Gedanken Wilkas auffing, zumindest solange wie Ewen selbst die Barriere über ihren Geist aufrechterhielt, um einen zufälligen Einsatz des Gedankensehens zu vermeiden. Doch wenn sie erst Zugang zur Höhle hatte, konnte sie damit beginnen, Ewen das eigentliche Gedankensehen beizubringen. Durch das Training der mentalen Kommunikation hatte Ewen jetzt auch schon genug Übung darin, ihre Gabe zu kontrollieren und gezielt einzusetzen. Das machte es einfacher und ungefährlicher, sie Gedanken und Gefühle sehen zu lassen.
    Sie bemerkte, dass es auffällig ruhig geworden war, Ewen schien ihre Hausarbeit beendet zu haben. Daher erhob sich Wilka von ihrem Bett. Wie gewöhnlich hatte sie vorgegeben, einen Mittagsschlaf zu halten, obgleich sie es für unnötig hielt. Doch Ewen hatte darauf bestanden und so ließ sie ihr ihren Willen. Das Mädchen hatte schon kurz nach ihrer Ankunft sämtliche Haushaltsbelange auf sich genommen und Wilka mehr Ruhe verordnet. Auch wenn sie nicht so alt und hinfällig war, wie Ewen dachte, ließ sie sich dies gerne gefallen. Nach so vielen Jahren, in denen sie alles hatte allein bewältigen müssen, war es schön, ein Teil der Verantwortung von sich genommen zu wissen.
    Sie fand ihre Schülerin in der Schreibstube, wo sie sich einem Buch über die Geschichte des letzten Jahrtausends zugewendet hatte. „Komm, ich hatte dir doch eine Überraschung versprochen.“
     

    Ewen folgte Wilka aus dem Haus. Ungefähr hundert Schritte davon entfernt blieb Wilka vor einer Felswand stehen, die sich durch nichts von den anderen zu unterscheiden schien. Die Bewahrerin sagte: „Folge mir!“, und schritt durch die scheinbar massive Felswand.
    Obgleich ihr Verstand ihr sagte, dass es unmöglich war, was sie gerade gesehen hatte, und sich ihr Körper mit jeder Faser dagegen sträubte, auf die Wand zuzulaufen, tat sie es dennoch. Sie schloss die Augen und setzte einfach einen Fuß vor den anderen. Innerlich wappnete sie sich für den Zusammenprall mit dem massiven Stein. Als sie aber fünf Schritte gegangen war, ohne auf Widerstand zu stoßen, öffnete sie blinzelnd die Augen. Zuerst sah sie Wilka, die ganz in ihrer Nähe stand, dann erblickte sie eine Wand aus Büchern. Erst bei näherer Betrachtung erkannte sie, dass sie sich in einer annähernd runden Höhle befand, deren Durchmesser mindestens dreißig Schritt betrug. Entlang der Wände waren Bücher aufgereiht. Sie richtete ihren Blick nach oben. Zuerst glaubte sie, sie könne den Himmel sehen, doch dann erkannte sie, dass es die massive Decke war, die das Licht spendete und nicht die Sonne. Wie war das möglich?
    Sie wollte ihre Lehrerin danach fragen, doch diese kam ihrer Frage mit einer Antwort zuvor. „Du täuschst dich nicht, die Steine der Decke leuchten. Frag nicht, wie das zustande kommt, es ist ein Geschenk der Götter. Dies hier ist der heiligste Ort Martuls, denn hier ist alles Wissen unseres Landes versammelt, auch das, was scheinbar vergessen wart, als die Götter den Nebel über uns breiteten.“
    „ Welchen Nebel?“
    „ Hast du dich nie gefragt, warum die Sonne stets nur milchig trübe erscheint, wo sie doch das Himmelsfeuer sein soll. Jedes Feuer im Ofen brennt doch mit hellerer Flamme. Die Trübung kommt daher, dass ganz Martul von einer Glocke aus Nebel eingeschlossen ist, die für uns Menschen undurchdringbar ist. Nur ist im Lauf der Zeit das Wissen darum geschwunden. Nur die Bewahrerinnen wissen, warum niemand aufs Meer hinausfährt. Es sind nicht die Gefahren des offenen Wassers, die dort drohen, sondern die Tatsache, dass der Nebel einen jeden verschlucken würde.“
    „ Und dieser Nebel ist ein Werk der Götter? Warum haben sie dies getan?“
    „ Die Geschichte ist lang und sehr alt. Es ist inzwischen dreitausendsechshundertdreiunddreißig Jahre her, dass die Götter sich zu diesem Schritt entschlossen. Der Nebel ist eine Strafe für die Verfehlungen unserer Ahnen, aber er war auch eine Chance auf ein neues Leben für diese.“
    Wilka zog eines der Bücher heraus, schlug eine Seite auf und gab sie ihr zu lesen. „Hier, lies

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