WELTEN-NEBEL
das. Ich weiß, dass es mehr Fragen aufwerfen wird als beantworten, aber es beschreibt den entscheidenden Punkt unserer Geschichte.“
Ewen las:
Die Götter aber breiteten einen undurchdringlichen Nebel aus,
der Margan und Tulup verschlang und seine Bewohner.
Nur jene, deren Herzen nicht von Krieg und Hass vergiftet worden waren,
fanden Gnade vor dem Gericht der Götter und eine neue Heimat im Schutz des Welten-Nebels.
Was hatte dies zu bedeuten? Sie musste erst kurz über das Gelesene nachdenken, bevor sie in der Lage war, Fragen zu stellen. Margan und Tulup, hieß das, es gab einst zwei verschiedene Länder, die nun eins waren, Martul? So musste es sein. Was wohl das Wort Krieg bedeutete? Es musste etwas Schlechtes sein, denn es wurde gemeinsam mit Hass genannt. „Wilka, was ist Krieg? Ich habe dieses Wort noch nie gehört.“
„ Wie solltest du auch, seit die Götter den Welten-Nebel über uns ausbreiteten, hat es hier so etwas nicht mehr gegeben. Der Nebel ist nicht nur Strafe, sondern schützt uns auch vor unseren Nachbarn.“
„ Es gibt also noch mehr Länder?“
„ Ja, so sagen es die Aufzeichnungen. In den Niederschriften über den Großen Krieg ist von sechs Ländern die Rede.“
„ Also gibt es noch vier Länder außerhalb des Nebels?“
„ Dann hast du erkannt, dass es auf der Fläche unseres Landes einst zwei Völker gab. Die Länder Margan und Tulup waren durch den großen Fluss getrennt. Einst lebten sie in guter Nachbarschaft, doch dies änderte sich zum Ende des Goldenen Zeitalters. Damals trieben die sechs Reiche Handel miteinander. Was in Freundschaft und zum gegenseitigen Nutzen begonnen hatte, entwickelte sich irgendwann zum Kampf um Macht, Reichtum und Einfluss. Der Streit entzweite auch Margan und Tulup, ein jeder neidete dem anderen seinen Reichtum und seine Handelsgüter. Helwa versuchte schließlich, die anderen Länder mit Drohungen zu unterwerfen. Aber die Atresser hatten schon lange im Geheimen Waffen geschmiedet und griffen nun zu diesen. Sie besiegten Helwa und dann Elung und Cytria, doch bevor sie sich gegen Margan und Tulup wenden konnten, besannen sich die beiden Völker und verbündeten sich gegen die Atresser. Tatsächlich gelang es ihnen, die Atresser zurückzuschlagen und die schon besiegten Völker erhoben sich gegen die Besatzer. Die ganze Welt versank im Krieg. In dem Maße aber, in dem sie den gemeinsamen Feind Atress schwächten, flammten die Konflikte zwischen den Marganer und Tulupern wieder auf. Kampf und Hass schienen kein Ende zu nehmen. Also entschieden die Götter, die Völker voneinander zu trennen, sie errichteten Barrieren aus Nebel. Doch Margan und Tulup waren nicht wie die anderen Länder durch ein Meer getrennt und so beschlossen die Götter, dass fortan nur noch ein Volk dieses Land bevölkern sollte. Für wenige Tage versank alles im Nebel, und als sich der Nebel lichtete und nur noch eine Nebelglocke um das gesamte Land zurückblieb, waren von den ehemaligen Einwohnern nur noch wenige übrig. Alle, deren Herzen voller Hass waren, waren von den Göttern getilgt worden. Jene aber, die zurückblieben, konnten sich nicht mehr an die Geschehnisse erinnern und auch nicht daran, dass es einst zwei verschiedene Völker gewesen waren. Ihre Muttersprachen hatten sie vergessen und sprachen nur noch die Handelssprache Zyn, die wir noch heute benutzen. Sie lebten von da an als ein Volk und nannten ihr Land Martul.“
„ Aber wenn die Menschen doch alles vergessen haben, wie kommt es, dass du mir jetzt davon berichten kannst?“
„ Das Gedächtnis einer jungen Frau war nicht ausgelöscht worden. Es war die jüngste Tochter des Königs von Tulup. Sie war noch jung an Jahren und ihr gutes Herz war nicht vergiftet von der Kriegstreiberei ihres Vaters und ihrer Brüder. Daher war sie auch die Einzige aus ihrer Familie, die von den Göttern verschont worden war. Da ihr die Schrecken des Krieges nur allzu deutlich vor Augen standen, entschied sie, dass es das Beste sei, die Menschen in Unwissenheit zu lassen. Dennoch wollte sie nicht, dass das Wissen um die Vergangenheit verloren ging. Daher nahm sie, was an Aufzeichnungen übrig war und suchte einen sicheren Hort, wo sie das Wissen verwahren konnte. Die Götter schienen ihrem Vorhaben wohlgesonnen und leiteten ihre Schritte in die Berge, wo sie auf diese Höhle stieß. Auch ließen sie sie noch achtzig Sommer erleben, sodass ihr genug Zeit blieb, ihr Wissen niederzuschreiben und die geretteten
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