WELTEN-NEBEL
mich umgehört, niemand sonst hat von ähnlichen Erlebnissen berichtet. Auch die Angehörigen des Wüstenvolkes, die ich bis jetzt habe befragen können, konnten nichts berichten, was auf eine Veränderung in der Zentralwüste hindeutet.“
„ Wir sollten auf jeden Fall auf Btol achtgeben. Wahrscheinlich ist es eine gute Idee, ihn so schnell wie möglich außer Landes zu bringen. Cytria ist ein sicheres Ziel und außerdem kann er sich dort auf dem diplomatischen Parkett erproben.“
„ Ich bin erleichtert, dass du meine Meinung teilst, aber mein Herz ist schwer, wenn ich daran denke, ihn ziehen zu lassen.“
Sie barg ihr Gesicht an seiner Schulter. Da sie inzwischen in ihren privaten Gemächern waren, gestattete sie sich Tränen, die sie öffentlich nie vergossen hätte. Sanft küsste er ihr die Tränen aus dem Gesicht und erinnerte sie daran, dass bis Btols Abreise noch Zeit war. Er wünschte, mehr für seine geliebte Frau tun zu können.
Jahr 3636
Hort der Bewahrerin, Martul
Anfangs hatte sie täglich mit einer erneuten Verbindung zu Btol gerechnet, sogar darauf gehofft. Seit jener kräftezehrenden Nacht hatte sie auf ein Zeichen gewartet, dass ihr Einsatz nicht umsonst gewesen war. Auch wenn sie den Fremden nie hatte besonders gut leiden können, so wünschte sie ihm dennoch keinen elendigen Tod in der Wüste.
Tag um Tag war verstrichen, ohne dass eine Verbindung zustande gekommen war. An seinen Tod wollte sie dennoch nicht glauben. Also begann sie, selbst den Kontakt zu seinem Geist zu suchen. Da sie jedoch so gut wie nichts von ihm wusste, gestaltete sich dies sehr schwierig. Nur die bisherigen Verbindungen konnten als Anhaltspunkt dienen. Obschon sie unzählige Male gescheitert war, war sie noch nicht bereit aufzugeben. Ungefähr einen Mond nach der letzten Verbindung hatte sie das Gefühl, eine Verbindung zu Btols Geist zustande gebracht zu haben. Diese war aber nur von kurzer Dauer, eine flüchtige Berührung nur, das Aufblitzen eines einzelnen Bildes. Sie glaubte, Btols Räumlichkeiten erkannt zu haben, doch sicher war sie sich nicht. Beflügelt vom Erfolg setzte sie ihre Bemühungen fort, sie wollte Gewissheit erlangen. Nach zwei weiteren kurzen Verbindungen war sie sich sicher: Btol lebte und war wieder zu Hause.
Doch nach all den Anstrengungen genügte ihr die Gewissheit nicht mehr, sie musste sich eingestehen, dass es ihr fehlte, am Leben jenes fremden Jünglings teilzuhaben. Ohne diese Unterbrechungen ihres Alltags spürte sie, wie einsam sie doch war. Gerade jetzt im Winter machte sich dies besonders bemerkbar, denn nun blieben selbst die Besucher aus den Dörfern Martuls aus, die Rat suchten oder Vorräte und Aufzeichnungen brachten.
Wie willkommen wäre es ihr, Btols Geist gelegentlich besuchen zu können. Doch was auch immer sie versuchte, mehr als flüchtige Berührungen brachte sie nicht zustande. Manchmal war es ihr, als sperrte sich der junge Mann gegen ein tieferes Eindringen. Daher versuchte sie, ihre Aufmerksamkeit wieder stärker auf ihre Aufgaben als Bewahrerin zu richten. Nur in besonders einsamen Momenten unternahm sie bisweilen den Versuch der Kontaktaufnahme.
Jahr 3637 Mond 2 Tag 1
Heet, Helwa
Früher als gedacht würde er aufbrechen. Jetzt, da die Reise nach Cytria unmittelbar bevorstand, war seine Vorfreude fast vollständig verflogen und hatte Unsicherheit und Abschiedsschmerz Platz gemacht. In den letzten drei Monden hatte die Beziehung zu seiner Mutter eine solche Intensität erreicht, dass er sich kaum vorstellen konnte, sie in zwei Tagen für lange Zeit – sein Aufenthalt in Cytria war für ein Jahr geplant – zu verlassen.
Er hatte mit einer Bestrafung gerechnet, doch kurz nach der Rückkehr seines Vaters hatten ihm seine Eltern eröffnet, dass er im Frühjahr nach Cytria reisen würde. Dabei waren sie sich sicher im Klaren darüber gewesen, dass dies keinesfalls eine Strafe darstellt, sondern seiner Abenteuerlust entgegenkam. Erst später hatte er den Grund für diese unerwartete Entscheidung erfahren: Sie hatten Angst um ihn, hielten Cytria für einen sichereren Ort als Helwa.
Kurz nach der Bekanntgabe ihres Entschlusses hatte seine Mutter begonnen, ihn intensiv auf die Reise vorzubereiten, schließlich war er der Prinz Helwas und sein Aufenthalt in Cytria sollte daher nicht nur eine lehrreiche Zeit für ihn werden, sondern den Beziehungen der beiden Völker dienen. Glücklicherweise beherrschte er die Sprache des Nachbarlandes von Kindesbeinen an,
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