WELTEN-NEBEL
kurze Zeit in Bellan weilte, würde ihr kaum Gelegenheit dazu bleiben. Sicher, sie hätte ihm Geld geben können, doch sicher hätte er dies zurückgewiesen. Schließlich wollte er ihre Dankbarkeit nicht einmal. Also konnte sie nicht mehr tun, als sich ihm gegenüber freundlich zu zeigen.
Das Gespräch war ins Stocken geraten und sie bemühte sich, den Faden wieder aufzunehmen. „Warst du schon mal in Bellan?“
„ Nein. Und was ist mit dir?“
„ Ich auch nicht. Ich habe mein ganzes Leben in Gal verbracht.“
„ So wie ich. Allerdings habe ich schon viel über Bellan gehört. Es ist um einiges kleiner als die Hauptstadt, aber nicht minder prachtvoll. Der Handel hat es reich gemacht. Fast alle Nahrungsmittel, die in Elung gehandelt werden, nehmen ihren Weg über Bellan. Die Märkte sind voll mit den exotischsten Früchten, aber auch mit feinen Stoffen und allerlei Kunstgegenständen. Es heißt, dass selbst die königliche Familie regelmäßig Waren und Handwerker aus Bellan kommen lässt.“
Diese Dinge waren ihr nicht neu, schließlich hatte sie die Ausbildung einer Prinzessin genossen. Dennoch tat sie interessiert und lauschte Rihnalls Erzählungen. Er beschrieb ihr die Stadt in den prächtigsten Farben, ganz so, als habe er sie mit eigenen Augen gesehen.
Über das anregende Gespräch verging der Abend, die Sonne ging unter und der bleiche Mond erschien am Himmel. Die letzten Wolken hatten sich verzogen und der nachtblaue Himmel glitzerte im Licht von Tausenden Sternen, ein Anblick, an dem sich Süylin nie würde sattsehen können.
Er beobachtete sie, wie sie dastand und den Himmel betrachtete. Er bemerkte das Lächeln, das ihre Lippen umspielte. Auch er selbst lächelte. Er hatte einen Zugang zu ihr gefunden. Angesichts dieser Tatsache würde er, entgegen seiner Behauptung, in Bellan bleiben, doch das brauchte sie noch nicht zu wissen. Sollte sie nur glauben, dass ihr wenig Zeit bliebe, ihre Schuld bei ihm zu begleichen. Seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass ein schnelles Voranschreiten seinem Geschäft nur zuträglich war. Je weniger Zeit seinem Opfer zum Nachdenken blieb, umso besser. Daher wagte er nun auch einen weiteren Schritt, der Moment war einfach perfekt.
„ Ich liebe die Sterne. Immer, wenn ich zu ihnen aufsehe, denke ich an meinen Vater. Als ich noch ein kleiner Junge war, haben wir oft gemeinsam die Sterne betrachtet.“ Er seufzte, was sie zu genau der richtigen Frage veranlasste.
„ Wo ist dein Vater jetzt?“
„ Er starb, als ich sechs Jahre alt war. Meine Mutter folgte ihm vier Jahre später. Seitdem habe ich niemanden mehr auf der Welt.“ Natürlich war das gelogen, in Wirklichkeit hatte er seine Eltern nie kennengelernt, er war in einem Waisenhaus aufgewachsen. Mit acht Jahren war er von dort abgehauen und hatte sich als Dieb durchgeschlagen. Doch so klang es weitaus dramatischer.
„ Das tut mir leid. Auch ich habe meine Eltern verloren, das ist allerdings noch keinen Mond her. Eine unbekannte Krankheit raffte sie dahin. Deshalb bin ich nun auch auf dem Weg zu meiner Tante und meinem Onkel.“
Das lief ja noch besser, als er zu hoffen gewagt hatte. Wenn ihr Schmerz noch so frisch war, würde sie sich sicher bereitwillig von ihm trösten lassen. Er trat hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Ich trauere mit dir.“
Auch wenn ihr Schmerz nur vorgetäuscht war, so war sie ihm doch dankbar für seinen Trost. Denn auch wenn ihre Eltern nicht tot waren, so hatte ihre Flucht doch dazu geführt, dass sie sie verloren hatte. Zum ersten Mal bedauerte sie, dass sie sich nicht hatte von ihnen verabschieden können. Insbesondere bei ihrer Mutter dauerte sie dies. Auch wenn diese sich den Plänen ihres Mannes nicht entgegengestellt hatte, so hatte sie dennoch nichts damit zu tun gehabt. Die Idee, sie mit diesem reichen Kaufmann zu verheiraten, der mehr als doppelt so alt war wie Süylin, war ganz allein von ihrem Vater gekommen. Er hatte nur das viele Geld gesehen, dass der einflussreiche Mann geboten hatte, nicht das Glück seiner Tochter. Obwohl er der König Elungs war, litt er unter ständiger Geldnot. Das hatte Süylin aber erst herausgefunden, als sie nach dem Grund für das Heiratsarrangement gesucht hatte. Verwunderlich war es nicht, denn die Prunksucht des Königs und seiner Familie war mehr als offensichtlich. Auch Süylin war da kaum anders gewesen, auch sie liebte schöne Kleider und Schmuck. Doch als sie erfuhr, welches Opfer sie dafür bringen
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