WELTEN-NEBEL
wirklich unsere Nichte. Mein Name ist übrigens Atella.“
„ Süylin.“
„ Solltest du nicht lieber einen anderen Namen annehmen?“
„ Das hatte ich vor, doch in einem unbedachten Moment habe ich mich einem Mitglied der Schiffsbesatzung mit meinem Geburtsnamen vorgestellt. Der junge Mann ist ebenfalls in Bellan von Bord gegangen, gut möglich, dass sich unsere Wege erneut kreuzen. In gewisser Weise schulde ich ihm mein Leben.“
Sie berichtete Atella von den Geschehnissen im Sturm.
„ Nun, dann schuldest du dem Mann wirklich etwas.“
Am Abend lernte sie auch Atellas Mann Tew kennen. Er war von einem ebenso freundlichen Wesen wie seine Frau. Er hatte nichts dagegen, Süylin in seinem Haus zu beherbergen. Bis in die Nacht hinein erörterten sie, wie es weitergehen sollte. Sie kamen überein, dass sie Süylin ihr Handwerk lehren wollten, sowohl Atella als auch Tew waren Porträtmaler und über die Grenzen Bellans hinaus bekannt. Da sie keine eigenen Kinder hatten, suchten sie ohnehin einen Lehrling, der ihr Geschäft irgendwann übernehmen würde. Den Nachbarn würden sie erzählen, dass Süylin ihre Nichte war, deren Eltern kürzlich verstorben waren. Eigentlich war sie zu alt, um eine Lehre zu beginnen, doch man würde eine zu geringe Erbschaft vorschieben, aus der sich die Notwendigkeit eines Berufes ergab. Süylin war es recht, sie wollte nur eine Chance, egal in welcher Form. Wenn es hätte sein müssen, so wäre sie auch bereitwillig Wäscherin oder Geberin geworden.
Es dauerte sechs Tage, bis er sie wiedersah. Er ging gerade über den Markt, als er sie entdeckte. Sie war in Begleitung einer älteren Frau. So, wie sie miteinander umgingen, waren sie wohl recht vertraut miteinander. Die Frau war sicher Süylins Tante. Er ging auf die beiden zu und grüßte höflich. Süylin schien erstaunt, ihn zu sehen. Sie brauchte eine Weile, bis es ihr gelang, ihn ihrer Tante vorzustellen. Diese erwiderte: „Das ist also Rihnall, der dich gerettet hat?“
„ Nun, ganz so war es ja nicht. Das hat sie hoffentlich gesagt.“
„ Sei nicht so bescheiden. Wir können deinen Mut nicht hoch genug loben. Wir möchten dich gerne für den Abend zum Essen einladen.“
„ Das ist sehr liebenswürdig. Ich würde mich freuen.“
Sie tauschten noch ein paar Höflichkeiten aus, wobei Süylin aber stumm blieb. Sie schien sich unbehaglich zu fühlen, war wohl nicht mit der Einladung ihrer Tante einverstanden. Hoffentlich wäre sie am Abend aufgeschlossener.
Auf dem Heimweg schalt Atella sie unhöflich, da sie sich Rihnall gegenüber so abweisend gezeigt hatte. Sie versuchte, sich zu verteidigen: „Ich war einfach nur überrascht, ihn zu sehen. Außerdem hast du das Gespräch ja sofort an dich gerissen. Auch habe ich heute Abend ja noch genug Zeit, mich mit ihm zu unterhalten.“
„ Da hast du natürlich recht. Gib dir Mühe, er scheint mir ein netter Mann zu sein. Was macht er so?“
Sie zuckte mit den Schultern, er hatte ihr nur gesagt, er sei ein Abenteurer, doch das war nichts, womit man seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Sie würde ihn danach fragen.
Noch einmal überprüfte sie den Sitz ihres Kleides und ihrer Frisur. Ob dieses Verhaltens schimpfte sie sich selbst eine Närrin. Warum gab sie sich Mühe mit ihrem Aussehen, dieses Essen mit Rihnall bedeutete ihr im Grunde nichts?
Atellas Stimme erscholl und Süylin eilte ins Erdgeschoss. Rihnall war schon eingetroffen und in einem angeregten Gespräch mit Tew. Er hatte sie entdeckt und kam auf sie zu. In vollendeter Form nahm er ihre Hand und küsste sie. Eigentlich war sie eine solche Begrüßung durchaus gewohnt, doch in diesem Umfeld und von ihm hatte sie es nicht erwartet. Ihr fehlten die Worte und so nickte sie nur.
Auch während des Essens verflog ihre Schüchternheit nicht, Rihnall hatte irgendetwas an sich, was sie unsicher machte und hemmte. Ihr gelang es kaum, mehr als ein paar Bissen hinunterzubringen, ständig fühlte sie sich von ihm beobachtet. An ein normales Gespräch mit ihm war nicht zu denken. So war es Tew, der den Großteil der Unterhaltung mit dem Gast bestritt, Atella war zu sehr mit der Bewirtung beschäftigt.
Tew fragte Rihnall über allerlei Dinge aus, sein Leben in Gal, seine Pläne für die Zukunft. Rihnall verstand es, seine Gastgeber mit amüsanten Anekdoten zu unterhalten, auch seine Beschreibungen der Hauptstadt waren detailreich und unterhaltsam. Doch bei all seinen Berichten schaffte er es
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