WELTEN-NEBEL
mitzunehmen. Nachdem Süylin ihr auf dem Weg hierher ausführlich von den Geschehnissen in der Großen Hütte berichtet hatte, hatte sie auch verstanden, warum die beiden Elunger hatten fliehen müssen. Zu groß war die Gefahr, dass sie mit ihrer Fluchthilfe für die Anführer der anderen Stämme den Zorn des Bergstammes aus sich gezogen hatten.
Wie aber würde es nun weitergehen? Wohin sollten sie sich wenden? Wenn sie die Lage richtig einschätzte, würde ganz Atress bald ein Kriegsgebiet sein. Für sie selbst war es wohl das Beste, zu ihrem Stamm zurückzukehren. Doch wären auch ihre Freunde dort willkommen, oder schlüge ihnen Argwohn entgegen? Sie hoffte, dass man ihnen ihre zweifache Fluchthilfe dankte. Sie würde den beiden den Vorschlag unterbreiten, zum Küstenstamm zu gehen.
Süylin bettete ihren Kopf an Rihnalls Schulter. Sie war froh, dass ihnen die Flucht aus der Siedlung geglückt war. Es war sein Verdienst. Sie bewunderte ihn ob seiner Entschlossenheit. Obgleich die Situation unübersichtlich und die Konsequenzen seines Handelns ungewiss gewesen waren, hatte er in der Großen Hütte genau das Richtige getan. Wahrscheinlich hatte er den Anführern der Stämme damit das Leben gerettet. Dass sie deswegen nun selbst auf der Flucht waren, war ein kleiner Preis dafür. Wenn sich die Dinge so entwickelten, wie sie vermutete, gäbe es in ganz Atress ohnehin bald keinen sicheren Platz mehr. Gewiss würde es zum Krieg zwischen den Stämmen kommen. Und auch, wenn die drei offenbar vereinten Stämme eine gute Chance hatten, den Bergstamm zu besiegen, würde es sicher viele Opfer auf beiden Seiten geben. Gäbe es nur eine Möglichkeit, dies zu verhindern. Vielleicht war es an ihnen, dieses Wunder zu vollbringen. Konnte dies der Grund sein, warum die Götter sie hergebracht hatten?
In den letzten Tagen hatte sie sich viele Gedanken über die Götter gemacht, jene höheren Wesen, von deren Existenz sie bis vor Kurzem nichts geahnt hatte. Bevan hatte ihr viel über den Glauben ihres Volkes erzählt. Vieles war ihr logisch erschienen, manches aber konnte sie nicht glauben. So fiel es ihr schwer, die Angst der Atresser vor der Strafe der Götter zu teilen. Wenn die Götter wirklich jedes Fehlverhalten der Menschen straften, hätten sie die Atresser im Laufe der Geschichte auslöschen müssen, zu viele Kriege zwischen den Stämmen hatten schon stattgefunden. Daher mussten sich die Götter schon des Öfteren gnädig gezeigt haben.
Sie wusste, dass Rihnall nicht an die Götter glaubte. Immer wieder hatte er große Zweifel erkennen lassen, auch wenn er sie nur selten offen aussprach. Er vertrat die Ansicht, sie würden sich selbst helfen müssen und konnten nicht auf irgendwelche Mächte hoffen. Nun, ob mit oder ohne Götter, handeln mussten sie nun ohnehin. Sie waren gezwungen, ihren weiteren Weg festzulegen. Aber es konnte sicher dennoch nicht schaden, die Götter dafür um Unterstützung zu bitten. Bevan hatte sie gelehrt, wie man betete.
Die Nacht brach an und sie machten sich auf den Weg. Auf Bevans Vorschlag hin waren sie übereingekommen, ihre Schritte nach Süden zu lenken und Hilfe beim Küstenstamm zu suchen. Sie würden den Weg durch die Wälder nehmen, da diese mehr Schutz boten als die offene Ebene. Sollte man sie verfolgen, konnten sie sich besser verbergen. Insgeheim aber hoffte Rihnall, dass der Bergstamm sich auf die Verfolgung der drei flüchtenden Anführer konzentrierte.
Wenn Bevans Vermutungen richtig waren, hatten diese den Weg durch die Ebene genommen. Immer wenn der Steppenstamm beteiligt war, so sagte sie, waren auch Gekkas nicht fern, ihre Reittiere. Sicher hatten die drei Stammesführer ihre Gekkas unweit der Siedlung des Bergstammes zurückgelassen und waren nach ihrer Flucht zu ihnen zurückgekehrt. Nun durchquerten sie auf deren Rücken die Ebene, so schnell, dass ihre Verfolger sie nicht würden einholen können.
Er dachte darüber nach, was die Menschen des Bergstammes tun würden, sobald sie die Verfolgung aufgegeben hätten. Sicher würden sie zum Krieg rüsten. Hoffentlich geschah dies nicht allzu rasch. Vielleicht gab es irgendeine Möglichkeit, den drohenden Krieg zu verhindern. Sie mussten unbedingt mit den anderen Stämmen sprechen. Doch der Weg war weit. Bis zur Hauptsiedlung des Küstenstammes wären sie einen Mond lang unterwegs. Anders als beim Bergstamm gab es zwar auch noch einige kleine Dörfer, doch die waren auch nicht wirklich näher. Dagegen würden sie
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