WELTEN-NEBEL
jedes Kind die Geschichte.“
„ Könntet Ihr sie mir bitte erzählen?“
„ Es begab sich im Jahr 3600 nach der Zeitenwende. Die Götter waren unzufrieden mit dem Lebenswandel der Cytrianer und gedachten, sie zu vernichten. Zuvor aber wollten sie ihnen noch eine Möglichkeit zur Rettung geben. Ganz so, wie es eine alte Prophezeiung weisgesagt hatte, gab es sechs junge Menschen, die über große Kräfte verfügten. Da war die angehende Priesterin Yerina, die den Geist der Menschen zu beeinflussen vermochte, Peria, die Pflanzen durch ihren bloßen Willen zum Wachsen bringen konnte, die Kunstschmiedin Carlynn, die sich darauf verstand, Stein und Metall durch die Kraft ihrer Gedanken zu formen. Außerdem gab es den Hirten Jeven, der sich gar meisterlich auf den Umgang mit Tieren verstand, den Heiler Tharet, der jedes Gebrechen heilen konnte, und den Seemann Aden, dem die Götter die Macht über das Wasser gegeben hatten. Die Sechs fanden zueinander und ihnen wurde enthüllt, dass es ihnen bestimmt war, ihre Kräfte zur Rettung Cytrias einzusetzen. Sie mussten viele Gefahren überstehen und dabei stets auf der Hut vor den Häschern des Königs sein, der sie zwingen wollte, ihre Gaben für seine Zwecke einzusetzen. Im Uralt-Wald schließlich fanden sie den Ort ihrer Bestimmung. Am Tag der Wintersonnenwende traten sie in Kontakt mit den Göttern und durch ihre Opferbereitschaft überzeugten sie diese davon, dass nicht alle Menschen verderbt und böse waren. Die Götter verschonten die Menschen Cytrias und befreiten sie außerdem von ihrem machtbesessenen König. Noch heute wird jedem Jahr zur Wintersonnenwende ein Ritual im Tempel abgehalten, in dem den Göttern für ihre Güte gedankt wird. Niemals werden die Menschen die Sechs und ihren Einsatz für Cytria vergessen.“
Ihel hatte gespannt gelauscht. Die Geschichte war wirklich faszinierend, auch wenn sie keine Hinweise auf Awijas Vergangenheit enthielt. Soweit sie es hatte in Erfahrung bringen können, war diese erst fünfundvierzig Jahre nach jenen Ereignissen geboren. Gerade wollte sie die Frage nach dem Zusammenhang zwischen den Sechs und Awija an den alten Mann richten, als dieser erneut zu sprechen anfing.
„ Doch die Geschichte der Sechs endet nicht mit der Errettung Cytrias vor dem Zorn der Götter. Tharet und Yerina gehörten zu den Gestaltern eines neuen Cytrias, stützen die Reformen im politischen und geistigen Leben.
Auch waren es die Töchter und Ziehtöchter der Sechs, die von den Göttern erwählt worden, das benachbarte Helwa zu entdecken. Zada, die Ziehtochter Tharets, war von den Göttern als Kind von Helwa nach Cytria versetzt worden. Sie konnte sich jedoch nicht an ihr Leben dort erinnern. Erst als durch ihre Berührung das Heldenlied über Megev auf dem Heiligen Würfel erschien, kehrten langsam auch ihre Erinnerungen an ihre Heimat zurück. Habt Ihr den Heiligen Würfel gesehen?“
„ Ja, ich war im Tempel von Aaran, habe auch die Schrift auf dem Würfel gesehen, doch da ich sie nicht zu lesen vermochte, habe ich ihr keine weitere Beachtung geschenkt. Niemand hat mir bisher von ihrer Bedeutung erzählt.“
„ Wollt Ihr den Text des Liedes hören? Ich müsste irgendwo eine cytrianische Version haben, vielleicht sogar eine Übersetzung in Zyn. Der ursprüngliche Text ist in helwarischer Sprache, da das Lied von dort stammt. Das machte es zunächst unmöglich, die Zeichen auf dem Heiligen Würfel zu entziffern. Nur durch die Hartnäckigkeit der Gelehrten Madia, der Tochter Jevens, und durch die wiederkehrende Erinnerung Zadas gelang es damals, den Text zu entschlüsseln.“
Der Alte durchsuchte einen Stapel Papiere. Sie glaubte, dass er so was wie der Schreiber und Gelehrte des Dorfes war. Wahrscheinlich wusste er deshalb so viel über die Geschichte Cytrias. Endlich hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte. Er reichte ihr ein Blatt und sie las:
DAS LIED VON MEGEV
Einst, vor vielen Jahrtausenden schon, trieb die Abenteuerlust Megev an,
die großen Wüsten und grünen Flusstäler seiner Heimat Helwa zu erkunden.
Als er das Land von Nord nach Süd, von Ost nach West durchkämmt
und alles erkundet hatte und nichts mehr fand, seine Neugier zu wecken,
beschloss er, das große weite Meer zu bereisen.
Mit seiner Hände Arbeit baute er ein Boot, schnell und wendig,
er baute es aus starkem Holz, um damit allen Stürmen zu trotzen.
Die Menschen aber lachten über ihn und sprachen: „Was hoffst du zu finden,
dort auf dem
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