WELTEN-NEBEL
in Erfahrung bringen konnte, war mein Vater Liwam ebenfalls auf der Suche nach seinem Vater. Dabei kam er vor neunzehn Jahren nach Elung, wo er meine Mutter kennenlernte. Die beiden, nun ja, hatten eine kurze Beziehung, doch noch bevor meine Mutter bemerkte, dass sie schwanger war, verschwand mein Vater spurlos. Ich selbst habe erst vor achtzehn Monden erfahren, was es mit meinem Vater auf sich hat. Daraufhin verließ ich Atress und ging nach Elung, um dort mehr über ihn herauszufinden.“
„ Wieso Atress, Ihr seid doch Elungerin?“
„ Ich habe zwar die blaue Haut, doch meine Mutter ist zur Hälfte Atresserin. Daher entschloss sie sich, nachdem sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, das Land ihrer Kindheit zu verlassen und in die Heimat ihrer Mutter, meiner Großmutter, zu gehen. Dort konnte sie ein neues Leben beginnen, konnte vorgeben, dass sie einen Ehemann gehabt hatte, der verstorben war. So konnte sie sich selbst und auch mir die Schande einer unehelichen Zeugung ersparen. Als ich dann erfuhr, dass mein Vater nicht tot ist, wollte ich ihn unbedingt finden. In Elung traf ich auf meine Großtante und diese nannte mir den Namen des Geburtsortes meines Vaters. Dort angekommen musste ich feststellen, dass die Bewohner des Dorfes seit zwanzig Jahren nichts mehr von ihm gehört hatten. Er verließ das Dorf gleich nach dem Tod seiner Mutter. Doch ich erfuhr, warum er gegangen war, er suchte nach seinen Wurzeln, ganz so, wie ich es nun auch tue. In Aaran traf ich dann auf einen seiner Cousins und dieser gab mir den entscheidenden Hinweis: Liwams Vater war höchstwahrscheinlich ein Martuler. Wie Ihr sicher wisst, kann niemand Martul erreichen, daher glaubte ich mich am Ende meiner Suche. Doch als ich verzagt war und im Tempel betete, schickten mir die Götter eine Vision. Die ersten Bilder zeigten mir unser Ziel, und da es mir an Alternativen mangelte, beschloss ich, den schwarzen Würfel im Uralt-Wald aufzusuchen. Ich hoffe, dass die Götter mir dort einen weiteren Hinweis auf meinen Weg zukommen lassen.“
Er hatte sich alles geduldig angehört, nur ab und zu genickt. Jetzt sagte er: „Was hofft Ihr zu finden? Welches Zeichen erwartet Ihr?“
„ Ich weiß es nicht und habe auch noch nicht wirklich darüber nachgedacht. Wenn ich zu viel darüber grübele, verlässt mich nur der Mut und ich zweifle wieder an allem.“
„ Wisst Ihr schon, wohin Ihr als Nächstes reisen werdet, oder ist dies abhängig von dem, was Euch der schwarze Würfel zeigt?“
„ Ihr hofft wohl auf einen weiteren Auftrag?“
Sie glaubte selbst nicht, dass dies sein Motiv sein könnte, vielmehr war er wohl ernsthaft an ihrer Geschichte interessiert.
„ Nein, auch wenn ich Euch natürlich gerne weiter als Reisebegleiter zur Verfügung stehe.“
„ Die nächsten Bilder der Vision konnte ich noch nicht mit einem Ort verknüpfen. Sie zeigen eine Wüste und eine Oase. Gibt es in Cytria Wüsten?“
„ Nein, aber Helwa hat eine riesige Wüste. Doch ich weiß nicht, warum Ihr dorthin reisen solltet, wo Euer eigentliches Ziel doch Martul ist. Aber wahrscheinlich solltet Ihr wirklich immer einen Schritt nach dem anderen machen und Euch nicht zu viel den Kopf zerbrechen. Die Götter sind offenbar mit Euch, also vertraut auf sie.“
Sie hätte nicht gedacht, dass Waylen ein solches Vertrauen in die Götter besaß. Ihr hatte er stets den Eindruck vermittelt, einzig sich selbst zu vertrauen. Nun, es wäre nicht das erste Mal, dass sie sich in ihm getäuscht hatte. Wenn er wirklich so unausstehlich gewesen wäre, wie es an Anfang den Anschein gehabt hatte, sie hätte ihm wohl kaum so viel von sich erzählt. Bei diesem Gedanken fiel ihr auf, wie wenig sie doch über ihn wusste. Ob sie ihn fragen sollte?
„ Waylen, jetzt habe ich so viel über mich geredet, was ist mit Euch?“
„ Mein Leben ist bei Weitem nicht so spannend wie das Eure.“
Welch unerwartete Bescheidenheit.
„ Ich bin nur ein Junge aus dem Nordöstlichen Hochland, den der Stolz in die weite Welt hinausgetrieben hat.“
„ Wie ist das zu verstehen?“
„ Bei uns ist es Brauch, dass der älteste Sohn den Hof der Eltern übernimmt, sobald er heiratet. Er ist dann verpflichtet, für die Eltern zu sorgen und seinen jüngeren Brüdern ebenfalls Arbeit zu bieten. Die Schwestern verlassen den Hof ja, sobald sie heiraten. Ich bin ein jüngerer Bruder, doch als mein Bruder den Hof übernahm, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, mein Leben lang sein Angestellter zu
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