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WELTEN-NEBEL

WELTEN-NEBEL

Titel: WELTEN-NEBEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Buchmann
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oder? Bitte, seid ehrlich, sagt mir, ob nicht noch mehr vorgefallen ist.“
    Sie zögerte und er wusste, es war mehr geschehen, als sie erzählt hatte. Doch würde sie es ihm gegenüber auch zugeben? Vielleicht sollte sie lieber mit einer Frau darüber reden. Hier in Syyn jedoch gab es niemanden, der ihr näher stand als er.
    Offenbar vertraute sie ihm genug, um seine Frage ehrlich zu beantworten: „Nach dem Kuss hielt er mich mit der einen Hand fest, drückte mich gegen eine Wand, mit der anderen berührte er mich an …“ Er konnte sich vorstellen, was sie sagen wollte, aber nicht über die Lippen brachte. Stattdessen begann sie erneut zu weinen.
    „ Es ist gut, Ihr braucht es nicht auszusprechen, ich kann es mir vorstellen. Er wird dafür bezahlen, das verspreche ich Euch. Ich werde gleich zu ihm gehen. Danach wird er nie wieder eine Frau belästigen.“ Er merkte selbst, wie hasserfüllt seine Stimme klang. Doch wenn er in die grünen tränennassen Augen Ihels schaute, konnte sie auch nichts anderes als Hass für den Mann empfinden, der ihr diesen Schmerz beschert hatte.
    Es waren Ihels Worte, die seine rasende Wut bezähmten.
     

    Er zitterte förmlich vor Wut und machte damit selbst ihr Angst, die sie nicht der Grund dafür war. Sie wagte nicht, sich vorzustellen, was er mit dem Helwaner anstellen würde, wenn sie ihn ließe. Es war wohl nicht auszuschließen, dass er ihn totschlüge. Er war wesentlich kräftiger als der Helwaner. So dankbar sie ihm für seinen Beistand war, sie konnte nicht zulassen, dass er ihretwegen ein Verbrechen beging. Sie musste ihn irgendwie davon abhalten, etwas Törichtes zu tun. Sie sagte: „Nein, bitte tut nichts Unüberlegtes. Selbst wenn Euer Zorn gerechtfertigt ist, könnt Ihr ihn nicht einfach niederschlagen. Ihr würdet für diese Tat hart bestraft werden, insbesondere, da Euer Opfer Ausländer ist und daher unter dem besonderen Schutz der Regierung steht.“
    Seine Anspannung ließ nach, er erkannte wohl, wie recht sie mit ihren Worten hatte. Schließlich nickte er. „Gut, auch wenn es mit schwerfällt, ich werde nicht selbst Rache nehmen. Doch Ihr müsst mir versprechen, dass er seine Strafe bekommt. Ihr werdet ihn morgen beim Stadtvorsteher melden, damit Richter über sein Verhalten urteilen.“
    „ Aber das ist doch sinnlos. Er wird alles abstreiten und Zeugen gibt es keine.“
    „ Bitte, Ihr könnt doch nicht zulassen, dass sein Verhalten ohne Folgen bleibt. Oder soll er es noch mehr Frauen antun? Ich werde Euch selbstverständlich zum Stadtobersten begleiten, Ihr müsst das nicht alleine durchstehen.“
    Waylen hatte recht, sie musste den Helwaner anzeigen. Selbst wenn es nicht zu einer Verurteilung käme, vielleicht würde eine Ladung vor Gericht ihrem Angreifer genug Angst machen, um weitere Angriffe auf Frauen zu unterlassen. Und Waylen hatte versprochen, ihr zur Seite zu stehen, sie war nicht allein.
     

     

    Zu ihrem Erstauen blieb ihr ein Gerichtsprozess erspart. Schon bei seiner ersten Befragung durch den Stadtvorsteher gab der Helwaner den Angriff auf sie zu, zeigte Reue und bot eine hohe Entschädigungssumme an, die sie annahm. Seine Entschuldigung aber ließ sie unbeantwortet, sie war sich einfach nicht sicher, ob sie ernst gemeint war.
    Als sie Waylen gegenüber ihre Verwunderung über die Einsicht des Helwaners äußerte, lächelte dieser nur und sagte: „Wer weiß, was ihn dazu getrieben hat.“
    Sie argwöhnte, dass Waylen an dieser Entwicklung nicht ganz unbeteiligt war, fragte aber nicht nach. Sie wollte es eigentlich nicht wissen, ahnte sie doch, dass Waylen entgegen seinem Versprechen doch zu dem Helwaner gegangen war, um ihm seinen Unmut kundzutun. Wahrscheinlich hatte er bei dieser Gelegenheit allerlei Bedrohungen ausgestoßen, für den Fall, dass ihr Peiniger sich nicht schuldig bekannte.
    Sie nahm sich vor, die gesamte Angelegenheit so schnell wie möglich zu vergessen. Ein Gutes hatte sie immerhin gehabt. Die Entschädigung würde reichen, um mehrere Jahre des Reisens zu finanzieren, selbst wenn sie Waylen einen Teil davon, zusätzlich zu dem vereinbarten Honorar, für seine guten Dienste zahlte.
     
     

    Über die Aufregung um den Übergriff war Ihels Reiseplanung etwas in den Hintergrund getreten, nun aber, da dieses Erlebnis, auch dank seiner Hilfe, überwunden war, widmete sie sich wieder mit neuer Energie der Suche nach ihrem Vater. So nannte sie es noch immer, ganz so, als wolle sie die größere Dimension der Unternehmung

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