Welten-Reise
wurde zunehmend klarer. Was war geschehen?
»Ihre Tränen waschen das Blut heraus«, sagte Ivy. »Ich wußte nicht, daß Mänaden weinen können.«
»Vielleicht können die echten es nicht«, bemerkte Grey. »Ich glaube, sie löst gerade die erste Prüfungsaufgabe.«
»Wir wissen immer noch nicht, was ihr Problem ist und wie wir es lösen können!« rief sie aus.
Grey nickte. »Wir sind zwar nur für ein paar Tage hier, aber ich möchte das Beste daraus machen, solange ich hier bin. Vielleicht ist es ein Test, und wenn ich ihn bestehe, kommt der Gute Magier im letzten Moment und gibt mir die Antwort.« Das war eine ve r zweifelte Hoffnung.
»Genau das könnte sein!« stimmte sie zu.
Da erschien ein Schatten am Himmel. »Da kommt schon wieder einer!« seufzte er, während ihm das Herz in die Hose rutschte. »Ein Rokh. Weder der Schloßwall noch die Mauern werden ihn aufhalten!«
»Nein, es ist mein Bruder, du Dummer!« sagte Ivy. »Wir werden ihn das Buch der Antworten holen lassen, damit du Mae antworten und sie sofort zurückschicken kannst.« Es war offensichtlich, daß Ivy nicht besonders erpicht darauf war, die wohlgeformte Wilde Frau länger als unbedingt nötig in Greys Nähe zu lassen. Er moc h te das.
»Du beauftragst Dolph«, entschied er, »und ich überlege mir die nächste Prüfungsaufgabe. Ich denke, wir können jetzt Gutfritz Kobold gut gebrauchen.«
»Sieh zu, daß du es schaffst«, sagte Ivy düster und eilte in Ric h tung einer Dachterrasse davon.
Grey ging, um den Kobold zu suchen. Insgeheim befürchtete er, daß dessen Kammer vielleicht nicht mehr dort sein könnte, wo sie sich vorher befand. All die labyrinthartigen Gänge des Schlosses hatten sich verändert. Es gab jedoch nicht viele von ihnen, und bald fand er den Kobold.
»Weißt du, Magier, ich muß gestern unaufmerksam gewesen sein«, bemerkte Gutfritz. »Ich hätte schwören können, daß er Durchgang völlig anders verlief.«
»Er war es«, erklärte Grey kurz. »Wir änderten die Anlage des Schlosses. Ich bitte dich, mir einen Dienst zu erweisen, bevor du gehst.«
»Mit Vergnügen, Magier!«
»Es kommt eine Wilde Frau ins Schloß. Du mußt hinuntergehen und versuchen, sie zu erschrecken. Tu ihr nicht weh, ängstige sie nur.«
»Eine Wilde Frau? Aber die sind nicht ohne weiteres zu e r schrecken, und ich bin kaum der Typ, um…«
Der Kobold zögerte, weil er etwas bemerkt hatte. »Ich glaube, ich sah unten ein Spiegelkabinett. In dem könnte ich den Anschein von zwanzig Kobolden erwecken. Wenn ich Fratzen schneide und umherspringe, könnte ich eine gute Vorstellung geben. Aber wenn sie dahinterkommt…«
»Dann gewinnt sie die Herausforderung, und dein Dienst ist b e endet«, fuhr Grey fort. »Dann kannst du mit reinem Gewissen deiner eigenen Wege gehen.«
»Ausgezeichnet! Ich werde sie abfangen, wenn sie durch das K a binett kommt.« Gutfritz eilte die Halle hinunter.
Aber er brauchte noch eine dritte Herausforderung. Was würde eine Wilde Frau wirklich aus der Fassung bringen?
Grey schnippte mit den Fingern. Er befragte das Mädchen. »Mädchen, möglicherweise kannst du mir einen Dienst erweisen, um deine Schuld mir gegenüber auszugleichen.«
»Was wäre das, Magier?« fragte sie leicht besorgt.
»Bald kommt eine Wilde Frau ins Schloß. Ich möchte, daß du sie abfängst, nachdem sie an dem Kobold vorbei ist. Und verpasse ihr eine Maniküre, eine neue Frisur und weibliche Kleidung… ein Rüschenkleid, Pumps und äh…« Er zögerte.
»Schlüpfer?« fragte sie prompt.
»Äh… ja, so was.«
»O ja, bei solchen Sachen kenne ich mich aus!« lobte sie sich. »Aber eine Wilde Frau…«
»Du wirst gegenüber einer geschlossenen Tür stehen, welche ihr den Zugang zu mir versperrt. Sie muß diese Behandlung ertragen oder für immer eingesperrt bleiben. Wenn sie ohne diese Behan d lung davongeht, ist deine Schuld bezahlt. Wenn sie aber einwilligt, wirst du… wie lange würdest du brauchen?«
»Um es richtig zu machen? Stunden!«
»Ausgezeichnet! Wenn es vollbracht ist, klopfe an die Tür. Ich werde sie öffnen, und du kannst nach Hause gehen.«
Wenn das die Wilde Frau nicht aufhielt, konnte dies nichts und niemand, dachte er, als er ging, um nach Ivy zu sehen. Aber bis dahin sollte er im Besitz des Buches der Antworten sein und in der Lage, ihre Frage zu lösen. Jetzt wußte er Humfreys System wirklich zu schätzen!
Mae trat dem Kobold im Spiegelkabinett entgegen. Sie kreischte, nicht vor Furcht, aber vor Wut. Es
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