Welten-Reise
den Sandhaufen mit seinem Fuß. »Er ist nicht g e fährlich, es ist einfach nur Sand. Aber er sah tatsächlich einen A u genblick lang wie ein Sandmann aus. Ich wußte, daß es nur eine Illusion war. Ich wollte nur, ich hätte das herausfinden können, ohne ihn zu zerstören.«
»Ich war gerade dabei, das zu tun«, rief Ivy verärgert. Aber es schien tatsächlich so, als wäre der Sandmann keine Gefahr. Die unheimliche Stimmung war verschwunden.
Der Tag ging langsam zu Ende. »Wir sollten uns einen Lage r platz suchen«, schlug Grey vor. »Nachts könnte es hier wilde Tiere geben.«
Diese Möglichkeit bestand tatsächlich. Bisher waren ihnen alle r dings noch gar keine bösen Wesen begegnet, und das war beme r kenswert. Vielleicht hielten die Fluchzecken und der Sandmann sie fern. Aber diese schienen hier keine Macht mehr zu haben, so daß sie daran zweifelte. Sie hoffte, daß es nicht einen wirklich schrec k lichen Räuber gab, der dieses Gebiet als sein Jagdrevier benutzte und dabei die meisten anderen Gefahren beseitigte. Lieber waren ihr eine ganze Reihe kleiner Bedrohungen als eine große, denn Ivy war sich nicht sicher, wie wirkungsvoll ihre Zauberkunst einem wirklich schrecklichen Wesen gegenüber sein würde. Gewöhnlich hatte sie Stanley Dampfdrache bei sich, wenn sie auf Erkundungen auszog, und der hatte für ihre persönliche Sicherheit gesorgt.
Sie sah sich um. Es schien hier nirgends einen geeigneten Lage r platz zu geben. Wohl oder übel mußten sie weiterwandern, obwohl Ivy schrecklich müde war.
»Wie wäre es denn mit dem Baum dort drüben«, schlug Grey vor und wies auf einen ausladenden Baum, dessen Tentakel beinah bis zur Erde reichten.
»Das ist ein Wirrbaum«, kreischte Ivy entsetzt.
»Ja, das glaube ich auch. Aber wir können dieses Spiel nicht ewig spielen. Ich bin sicher, daß er sich als harmlos erweist, sobald man den Bluff beim Namen nennt.« Er näherte sich ihm kühn auf e i nem der kleinen Pfade, die zum Baum führten.
»Nein«, schrie Ivy und stürzte ihm nach. »Niemand außer einem Oger oder einem Drachen läßt sich mit einem Wirrer ein, und s o gar die sind vorsichtig. Komm ihm nicht zu nahe!«
»Ich nehme an, daß die meisten Wesen hier genauso denken wie du«, sagte Grey und schritt weiter, ohne innezuhalten. »Das bede u tet, daß wir eine angenehme Nacht in seinem Schutz zubringen können. Das scheint mir ideal.«
Ivy holte ihn ein und ergriff seinen Arm. »Du hast keine A h nung! Dieser Baum wird dich greifen und gierig verschlingen, s o bald du in seine Reichweite kommst! Ich weiß nicht, ob ich dich beschützen kann vor…«
Aber sie verlor das Gleichgewicht und strauchelte, und beide fi e len mitten in das Gewirr von Tentakeln. Ivy war voller Panik.
Aber die hängenden Tentakel bewegten sich nicht. Keine einzige griff nach ihnen. Der Baum schien zu schlafen.
»Oh«, stieß Ivy erleichtert aus. »Er wird erst vor kurzem ein Festmahl gehalten haben und gar nicht hungrig sein! Was für ein Glück!«
Grey schüttelte den Kopf. »Für alles hast du eine Erklärung! A l so gut, er ist nicht hungrig. Dann laß uns hier übernachten. Ni e mand sonst wird wissen, daß es hier sicher ist.«
»Das ist wahr«, antwortete sie schwach. Der Gedanke, so nahe bei einem Wirrbaum zu sein, machte sie immer noch nervös, aber es stand fest, daß sie sich vor einem satten Baum nicht zu fürchten brauchten.
Sie entdeckten einige Milchkräuter und einen Brotfruchtbaum; glücklicherweise gab es die in ganz Xanth, und so hatten sie Brot und Milch zum Abendessen. Auch gab es ganz in der Nähe einen Kissenbusch mit besonders flauschigen Kissen, woraus sie sich zwei Betten unter dem Baum zurechtmachten. Offensichtlich war keine von diesen Pflanzen in jüngster Zeit abgeerntet worden, vermutlich aus Mangel an Reisenden.
Ivy lag noch eine Weile wach und dachte nach. Worin bestand die große Gefahr, die die Reisenden fernhielt, und warum hatte sogar die Kraft der üblichen Bedrohungen so nachgelassen? Sie hatte zweifelhafte Erklärungen dafür ersonnen und war dennoch ganz erstaunt, daß sie nicht ausreichten, Grey von ihrer Echtheit zu überzeugen. Sie hatte erklärt, daß dieser Wirrbaum satt sein müßte, aber sie sah keine neuen Knochenhaufen, und auch die Tentakel sahen nicht so straff und kräftig wie die eines wohlg e nährten Baumes aus. Dieser hier mußte hungrig sein, aber war es nicht, und das machte Ivys Schlaf unruhig. Und dabei dachte sie wieder an den Sandmann:
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