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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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und auf jeden Fall in den ersten acht Jahrhunderten war er damit beschäftigt, die vielen Welten zu erkunden; er hat die Eigenschaften von Septus und die Fähigkeiten erforscht, die es den speziell dafür ausgebildeten Menschen verleiht; und er hat Theorien entworfen über die metaphysischen Gesetze, die in den vielen Welten herrschen, und über die Beschaffenheit des Kontexts, in dem sie existieren. Bis vor ungefähr zweihundert Jahren kam es nur äußerst selten zu Interventionen; sie waren sehr umstritten und wurden streng überwacht und in der Folge eingehend analysiert.«
    »Und was ist vor zweihundert Jahren passiert?«
    »Madame d’Ortolan.« Mrs. Mulverhill verzog den Mund. »Sie fand heraus, dass ein Springer eine zweite Person in eine andere Realität mitnehmen kann, und das eröffnete der Expédience völlig neue Möglichkeiten: Die Zahl der erforschten Welten schnellte in die Höhe. Als sie dann Mitglied des Zentralrats wurde, drang sie auf eine deutlich aggressivere Interventionspolitik und eine Ausdehnung des Einflussbereichs. Außerdem hat sie vorgeschlagen, das Privileg der Übernahme eines jüngeren Körpers nicht nur einigen wenigen hochverehrten, sondern ausnahmslos allen Ratsmitgliedern zu gewähren, sobald sich ihr eigener Körper dem Greisenalter nähert, und gleichzeitig die Beschränkung aufzuheben, dass dies nur einmal geschehen darf.«
    »Ich dachte, das ist noch immer lediglich ein Vorschlag.«
Da es nie eine offizielle Verlautbarung gegeben hatte, kursierten in diesem Zusammenhang die wildesten Gerüchte im Konzern und in ganz Calbefraques.
    »In der Theorie, ja.« Mrs. Mulverhill wandte sich den nahe gelegenen Gipfeln zu, die überall um sie herum zu leuchten begannen wie rosige Riesenzähne. »Aber er wird nach und nach umgesetzt. Wenn die einzelnen Ratsmitglieder mit zunehmendem Alter vielleicht auf die Idee kommen, dass der Vorschlag doch etwas für sich hat - ein Vorschlag, den viele von ihnen bis dahin entschieden bekämpft haben -, fragt die gute Madame an, ob sie es sich nicht nochmal überlegen wollen. Meines Wissens haben bisher nur zwei Ratsmitglieder abgelehnt, und auch die lassen sich vielleicht überreden.« Sie schaute ihn an. »Je näher das Grab rückt, desto steiler werden die Stufen. Die Leute werden von Verzweiflung gepackt. Auch diese zwei Ratsmitglieder wird sie vielleicht noch rumkriegen. Und sollten sie doch das Zeitliche segnen, wird sie dank ihrer Vormachtstellung dafür sorgen, dass die nachrückenden Ratsmitglieder gefügiger sind. Sie kann warten, denn die Zeit arbeitet für sie.«
    »Der Zentralrat macht also ewig weiter?«
    »Als Einrichtung war er von Anfang an so konzipiert.« Sie zuckte die Achseln. »Nun, bei Verwaltungsapparaten ist das immer so, aber hier kann es wirklich so kommen. Der Unterschied ist allerdings, dass auch die einzelnen Ratsmitglieder jetzt die Möglichkeit haben, ewig weiterzumachen. Der Zentralrat wird nie aufhören zu existieren, sicher, aber entscheidender ist, dass er nie aufhören wird, in der gleichen Besetzung zu existieren. Er wird sich nicht mehr verändern.«
    »Sie werden trotzdem älter. Ihr Geist.«

    »Ja, und es wird sicher interessant zu sehen, wie viele Informationen ein gesundes und relativ junges Bewusstsein bewahren kann, ohne welche überschreiben zu müssen, wenn es von einem relativ alten Geist eingenommen wird. Natürlich sind die Ratsmitglieder überzeugt, dass sie mit zunehmenden Lebensjahren immer weiser werden und dass daraus nur Gutes erwachsen kann. Aber ich glaube, dass jeder vernünftig denkende Außenstehende diese Perspektive nur voller Entsetzen zur Kenntnis nehmen kann. Die Alten und Mächtigen wollen nie abtreten. Sie meinen immer, dass sie vollkommen unersetzlich und durchdrungen von der Wahrheit sind. Und genau das ist ein fataler Irrtum. Altern und Sterben dienen unter anderem dazu, dass die nächste Generation ihren Platz an der Sonne erringt, um die Fehler der vorangehenden Ära zu beseitigen und mit ein wenig Glück zugleich die erzielten Fortschritte zu bewahren.« Das Licht war jetzt stärker und ließ ihre sonderbar dunklen Augen mit den schlitzförmigen Pupillen hervortreten. Sie verengten sich und glitzerten wie von Reif überzogen. »Es ist eine wahnhafte Einbildung. Macht drängt immer auf ihren Fortbestand, aber das hier ist schon ein besonders starkes Destillat von Idiotie. Nur Menschen, die bereits geprägt sind von einer durch zu viel Macht hervorgerufenen Selbstüberschätzung,

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