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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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werde.«
    Ihre Lippen kräuselten sich. »Und weißt du schon, was das Richtige ist?«
    Er nahm einen tiefen Atemzug des reinen Gases und der betäubend kalten Luft. »Es würde mir wohl sehr schwerfallen, ihnen dabei zu helfen, dich zu fassen.«
    Sie wirkte zugleich erfreut und amüsiert. »Sagst du das aus Höflichkeit, Tem?«
    »Vielleicht. Bin mir selbst nicht ganz sicher.«
    »Madame d’Ortolan würde von sexueller Sentimentalität sprechen.«
    »Tatsächlich?«
    »Sie ist eine äußerst unsentimentale Frau. Nun, abgesehen von ihren Katzen.« Mrs. Mulverhill schwieg einen Moment. »Glaubst du, sie benutzen dich, um mich auch ohne dein Einverständnis zu fangen?«
    »Ganz bestimmt. Ich bin immer davon ausgegangen, dass du dich darum kümmerst, wenn wir uns treffen.«
    »Ich tue, was ich kann.« Sie zuckte die Achseln. »Und ich denke, ich bin ihnen immer noch eine Nasenlänge voraus.«
    »Meinst du, sie sind dir auf den Fersen?«

    Sie nickte. »Theodora hat mindestens zwei Spüreinheiten auf mich angesetzt, die rund um die Uhr arbeiten. Außerdem hat sie ihre Sonderprojekte: Randomisten, die sie gefoltert und gebrochen hat, bis sie zu Spezialinstrumenten für die Suche nach Leuten wie mir wurden. Sie hofft, dass sie mich mit irgendwelchen magischen Kräften aufspüren und kampfunfähig machen können. Wahrscheinlich sollte ich mich geschmeichelt fühlen, im Mittelpunkt dieser obsessiven Aufmerksamkeit zu stehen.«
    Sie wandte sich der unglaublich hellen aufgehenden Sonne zu. Die umgebenden Gipfel erstrahlten jetzt in gleißendem Weißgelb. Mit der höher steigenden Sonne wanderte das Licht über die Stein- und Schneeflanken hinunter und warf gezackte Schatten über die steilen Schneefelder und Gletscher. In diesem Augenblick erschien sie ihm klein, verletzlich und gehetzt, sogar verängstigt. Plötzlich fühlte er den überraschenden, starken Drang, sie schützend und tröstend in die Arme zu schließen. Kurz streifte ihn der Verdacht, dass das Absicht war, dass er manipuliert wurde, und er zögerte. Dann war der Augenblick vorbei, und sie drehte sich lächelnd zu ihm um. »Du musst aufpassen,Tem. Du kannst es dir nicht ewig überlegen. Vielleicht bald gar nicht mehr. Noch kannst du scheinbar mit ihnen kooperieren und mir zuhören, aber früher oder später werden sie etwas von dir verlangen, mit dem du dich festlegst. Du musst dich entscheiden.«
    »Ich dachte, du willst mich zu einer Entscheidung bewegen.«
    »Das stimmt. Doch ich bedrohe dich nicht.«
    »Sie auch nicht.«
    »Noch nicht. Aber das wird sich ändern. Außer du folgst den Hinweisen, die sie fallenlassen werden, wenn es nicht
schon geschehen ist, und machst damit offene Drohungen überflüssig.« Sie spähte hinab zu der zerzausten Wolkendecke, die tief unten noch im Schatten lag. »Der Zentralrat zieht angedeutete Drohungen vor, die Drohung mit Drohungen. Das ist viel wirksamer, weil dabei die Fantasie des Betroffenen ins Spiel kommt.«
    »Du willst mir aber nicht erzählen, wer die Ratsmitglieder sind. Ich meine diejenigen, die vielleicht so denken wie du.«
    »Natürlich nicht. Mit ein wenig Nachdenken könntest du es wahrscheinlich sowieso erraten. Und ich habe auch keine unterschriebenen Verträge von ihnen, in denen sie schwören zu rebellieren, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Ich habe nicht mal mit allen geredet, ich stütze mich nur auf Vermutungen. Aber du kannst den Vernehmungsbeamten gern erzählen, dass du mir die Frage gestellt hast.«
    »Das werde ich.«
    Wieder schwieg sie. Das Heulen des Winds wurde stärker, und der Wetterhahn verstellte knarrend und stöhnend die Glaswand, um sich dem heranbrausenden Luftzug entgegenzustemmen. »Du solltest das alles viel ernster nehmen, Tem.« Sie klang tadelnd, fast gekränkt. »Diese Leute verwandeln sich allmählich in Ungeheuer. Bei Madame d’O ist der Prozess schon abgeschlossen. Unter ihrer Ägide werden sie alles billigen, um zu vermeiden, was sie als Verseuchung betrachtet. Alles. Weltkriege, Völkermord, Erderwärmung: jedes Mittel ist recht, um die kleinen Schritte in Richtung des Unbekannten zu unterbinden.«
    »Lass dich nicht von meiner Leichtfertigkeit täuschen.« Er zog sie an sich und umarmte sie.
    »Aber tief in deinem Innersten nimmst du es immer
noch nicht ernst, oder?« Ein mattes Lächeln spielte um ihre Lippen.
    »Ja, gegen diese Leichtfertigkeit ist schwer anzukommen.« Er drückte sie an sich. »Aber ich nehme es so ernst, wie ich jemals etwas genommen habe - mein

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