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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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mit dem Kragen seines Kamiz. »Wasser und viel Eis.« Er trommelt mit den Fingern auf den Tisch.
    In Paris ist es heiß und im Café Atlantique noch heißer. Die gemächlich rotierenden Deckenventilatoren dienen praktisch nur zur Dekoration. Die kleinen, schwitzenden Männer mit den Reklametafeln - auf denen die Tagesgerichte, die Angebote verschiedener Buchmacher, Anwälte, Pfandleiher, Kautionsagenten und Bordelle sowie die neuesten Schlagzeilen und Sportergebnisse zu lesen sind - haben vor allem die Aufgabe, kühlende Luftzüge zu erzeugen, wenn sie auf und ab durch die Gänge rennen. Sie sind erstaunlich effektiv. Aiman Q’ands windet sich auf seinem Stuhl, um sich nach allen Seiten umzuschauen. Er verknotet die Hände ineinander. Anscheinend ist er außerstande, still zu sitzen. Madame d’Ortolan wird noch wärmer. »Fächeln, Christophe«, sagt sie über die Schulter. Schnappend öffnet sich ein großer schwarzer Spitzenfächer und fängt an, sanft an ihrem Gesicht vorbeizustreichen.
    Mit glitzernden Augen lehnt sich Aiman Q’ands vor. »Madame, darf ich bemerken …«
    »Nein, Sie dürfen nicht.« Madame d’Ortolan setzt eine leicht angewiderte Miene auf. »Wir wollen uns auf das Nötigste beschränken.«

    Q’ands wirkt gekränkt und schlägt die Augen nieder. »Madame, finden Sie mich so abstoßend?«
    Als würde sie auch nur einen Gedanken an diesen elenden Wicht verschwenden! »Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich bin nur nicht besonders erfreut darüber, hier zu sein.« Ihr vielsagender Blick gleitet durch den verrauchten, höhlenartigen Saal. »Abgesehen von allem anderen üben diese Menschenmengen eine magnetische und völlig perverse Anziehung auf Bombenattentäter aus.«
    »Christen?« Der rundliche Q’ands sieht leicht erstaunt aus.
    »Natürlich Christen, Sie Tölpel!«
    Missbilligend schüttelt Q’ands den Kopf. »Die Religion der Nächstenliebe. Wie traurig.«
    Kurz streift Madame d’Ortolan der Verdacht, dass er sich über sie lustig macht. Man kann nie wissen, wie detailliert sich diese Passerines an frühere Begegnungen mit Dingen, Ereignissen und Menschen erinnern. Kann es sein, dass er sie ködern will? Schnell verwirft sie den Gedanken. »Die Religion der Eiferer«, belehrt sie ihn gereizt. »Die Religion, die ihre Märtyrer liebt, die Religion mit der Lehre von der Erbsünde, die rechtfertigt, dass Babys in die Luft gejagt werden, weil auch sie Sünder sind.« Sie stößt den Kopf nach vorn und macht eine Art trockenes Spuckgeräusch. »Eine Religion, die wie geschaffen ist für Terrorismus.«
    Sie erkennt die Andeutung eines Lächelns auf Q’ands’ unangenehm leuchtendem Gesicht und spürt erste Schweißperlen auf der Stirn. Sie beugt sich vor und senkt die Stimme. »Sind Sie überhaupt schon richtig umfeldverankert? So etwas weiß doch jeder Idiot.«
    »Ich weiß, was ich weiß, Madame.« Anscheinend will er sich einen Hauch von Mysterium verleihen. Und die ganze
Zeit hüpft sein eines Bein auf und ab, als wollte er dem Takt der Jupla-Band folgen. Was für ein absurder Bursche!
    »Nun, dann darf ich Sie darüber unterrichten, dass ich hier keine Zeit mehr verschwenden will.« Sie wendet sich nach Christophe um und muss sich ärgerlicherweise laut räuspern, weil er von der trällernden eurasischen Göre auf der Bühne abgelenkt scheint. Rasch hat sich ihr Chauffeur wieder im Griff und folgt ihrem Blick, der sich auf den Mann gegenüber richtet. Er zieht etwas aus der grauen Uniformjacke, das aussieht wie eine Zigarrenröhre, und reicht es Q’ands.
    Dieser nimmt es mit trauriger Miene entgegen und verstaut es in seinem Brustbeutel. »Außerdem habe ich fast keine …«
    »Da ist genug für ein Dutzend Reisen drin«, unterbricht ihn Madame d’Ortolan. »Wir sind nicht dumm. Und wir können zählen.«
    Er zuckt die Achseln. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen offenbar lästig bin.« Anscheinend ist er verletzt. Er steht auf und fährt sich mit der Hand durch sein strohiges braunes Haar. Als er sich dem Saal zuwendet, rennt klappernd einer der Reklamemänner vorbei. Die Brise bringt Q’ands’ Kamiz zum Flattern. »Vielleicht finde ich irgendwo den Kellner mit meinem Kaffee …«
    »Setzen Sie sich!«, faucht sie.
    Er dreht sich um. »Aber Sie haben doch gesagt …«
    »Setzen Sie sich hin!«
    Mit eingeschnappter Miene nimmt er wieder Platz.
    »Es gibt bestimmte Instruktionen in dieser Angelegenheit, die nicht schriftlich festgehalten wurden.« Mit Genugtuung registriert sie

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