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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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dämmerte, dass da nichts für sie zu holen war. Auch das war eine Erleichterung. Nichts, was eine wie sie mit einem wie ihm hätte anfangen können, hätte länger als eine Nacht gedauert, aber mir hätte sie damit gewaltig die Tour vermasseln können. Beim Kaffee bedachte mich Mrs. N mit einem Blick, der mich vermuten ließ, dass sie das mit Lysanne genauso sah wie ich.
    Im Vergleich zu Spetley Hall war das Haus noch jung, zu Beginn des letzten Jahrhunderts errichtet. Weißgetünchte Ziegel und bemaltes Holz statt bemoostem Stein und glänzender Täfelung. Die Fenster hoch, breit, salzverkrustet und zugig - statt winzig, mit Bleiglas und zugig. Sehr hell, vor allem am Morgen, wenn die Sonne von der Seeseite hereinstrahlte.
    »Es geht nur ums Vertrauen«, erklärte Mr. N.
    Wir standen nach dem Dinner im Garten vor dem neuesten Zaun, und die Wellen unten am Strand leuchteten im Dämmerlicht. Lysanne und Mrs. N waren ein Stück entfernt. Lysanne lachte gerade kreischend über eine Bemerkung
von Mrs. N. Mr. N sprach nicht mehr ganz deutlich, und zuerst hatte ich »Vertragen« statt »Vertrauen« verstanden.
    »Wie man rüberkommt, meinen … meinst du?« Das Du kam mir immer noch komisch vor.
    Edward lachte. »Vielleicht. Ein wenig hart, aber man kann es so sehen.Vertrauen hält die ganze Show am Laufen. Man braucht Vertrauen - Glauben sogar -, um immer weiter einen Fuß vor den anderen zu setzen. Denn wenn man stehen bleibt, stürzt das ganze Gebäude wahrscheinlich ein.« Er fixierte mich. »Es geht um Wert, aber genau das ist der Haken. Was ist Wert? Wert ist das, was die Leute dafür halten. Eine Sache ist so viel wert, wie jemand dafür zahlt. Aber es kann durchaus sein, dass jemand einen astronomischen Preis zahlt, einen Preis, von dem alle ›wissen‹, dass er idiotisch ist. Bloß wenn er die Sache dann einem anderen zu einem noch höheren Preis andrehen kann, dann war sie zumindest so viel wert, wie er dafür gezahlt hat. Der Gewinn ist der Beweis. Andererseits, wenn er darauf sitzenbleibt und klar wird, dass die Sache nicht annähernd so viel wert ist, wie er dafür gezahlt hat, dann hat er einen Fehler gemacht, und alle, die es schon vorher ›wussten‹, haben Recht behalten.« Er nippte von seinem Whisky. »Das Schwierige ist, zuverlässig zu erkennen, wer Recht und wer Unrecht hat, und Aktien zu kaufen, bevor sie zu teuer werden, und sie abzustoßen, bevor sie abstürzen. Wie bei einer Zeichentrickfigur, die gerade über den Klippenrand gelaufen ist und nur deswegen nicht fällt, weil sie es noch nicht gemerkt hat. Wie Tom und Jerry.«
    Ich hatte an den Roadrunner gedacht, aber was er meinte, war klar. Einen Moment lang beobachteten wir die Wellen. »Ist das dann die unsichtbare Hand, die den Absturz verhindert?«, fragte ich.

    Mr. N lachte erneut. »Die unsichtbare Hand. Na ja, das ist auch nur ein Glaubensgrundsatz. Ein Mythos. So ähnlich wie die Behautptung, dass wir eine Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft sind. Von wegen. Schau dir doch die Märkte an. Egal in welcher Stadt, sie machen zur Teezeit dicht, und nichts läuft mehr zwischen New York und Sydney. Am Wochenende ist sowieso geschlossen. Und an den Feiertagen. Ist auch gut so, sonst hätte ich keine freie Minute mehr.Wie findest du den Whisky?«
    Ich runzelte die Stirn. »Ich bin mir nicht sicher. Recht süß und ein bisschen rauchig. Ich würde fast sagen, ein Islay, aber irgendwie doch nicht. Vielleicht ein Talisker, den ich noch nicht kenne.« Verlegen zuckte ich die Achseln. »Kann ich noch drüber nachdenken?«
    Mr. N nickte grinsend, fast als wäre er stolz auf mich.
    Übrigens war das mit meiner Unsicherheit reiner Quatsch. Es war ein Highland Park von den Orkney-Inseln. Mr. N hatte ihn zwar eingeschenkt, als ich gerade wegschaute, doch als er mir das Glas reichte, bemerkte ich auf dem Büfett die Flasche mit den nach unten laufenden Tröpfchen auf der Innenseite. Deshalb wusste ich es. Aber die kleine Komödie war nötig, damit es besser aussah, du verstehst schon.
    »Und das mit dem Vertrauen ist ein Trick.« Edward starrte hinaus aufs Meer. »Alle Banken sind eigentlich zahlungsunfähig, und alle Aktiengesellschaften sind Wetten ohne Risiko, oder sollten es zumindest sein, wenn man die Sache richtig anpackt.Wenn es hinhaut, streicht man den Gewinn ein, und wenn nicht, werden sie dichtgemacht, und das Geld, das sie anderen Unternehmen oder Leuten schulden, ist einfach weg. Man selbst geht nicht pleite, wenn man es richtig arrangiert hat.

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