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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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redet, gefesselt und hilflos ist und wenn man sie völlig in seiner Gewalt hat. Keine lästige Handlungsfreiheit, die es dem anderen gestatten würde, sich zu wehren, einfach zu gehen oder seine ehrliche Meinung zu sagen, statt in seiner Verzweiflung und Angst nach Formulierungen zu suchen, mit denen er den Folterknecht zu besänftigen hofft.Verschafft Ihnen das ein gutes Gefühl? Gibt es Ihnen das Machtgefühl, das Ihnen im normalen Leben ungerechterweise immer vorenthalten wurde? Waren die anderen Kinder gemein zu Ihnen? Hat Ihr Vater Sie geschlagen? Zu strenges Töpfchentraining? Wirklich, das würde mich interessieren: Welche Ausrede haben Sie? Welcher Teil Ihrer Erziehung hat Sie so versaut, dass Sie in dem hier eine vielversprechende Karriere sahen? Raus damit.«
    Eigentlich hatte ich nicht erwartet, bis ans Ende dieser Rede zu gelangen. Ich dachte, er würde sich aus dem Schatten lösen und auf mich losgehen. Dass er das nicht getan hat, kann ein sehr gutes Zeichen sein oder ein sehr schlechtes. Ich habe keine Ahnung. Anscheinend habe ich mich etwas vergaloppiert.

    »Interessant, Temudschin, das musst du dir selbst ausgedacht haben.« Er klingt amüsiert. »Legst du es darauf an, windelweich geprügelt zu werden?« Er lacht schnaubend. »Was in deiner Vergangenheit hat so einen Masochisten aus dir gemacht?«
    Vielleicht ist es Zeit für einen Taktikwechsel. Seufzend nicke ich. »Hmm, verstehe. Geschieht mir ganz recht, wenn ich einfach so improvisiere.«
    »Das ist ein weiterer Punkt, nach dem wir dich fragen müssen.«
    »Improvisieren?«
    »Ja.«
    »Aha.«
    Ich muss zugeben, ich war nicht ganz offen zu dir. Mit ein wenig Glück habe ich eine Möglichkeit, von hier zu verschwinden. Eine Möglichkeit, von der sie nichts wissen, von der dieser gesichtslose Vernehmungsbeamte nichts weiß. Bisher habe ich es nicht gewagt, mich zu vergewissern, und auch jetzt wäre es nicht so naheliegend gewesen, wenn ich nicht diesen harten Schlag ins Gesicht bekommen hätte. Wieder lasse ich den Kopf sinken und bewege forschend die Zunge durch den Mund.
    Im linken Unterkiefer fehlt ein Zahn. Ich spüre ein klaffendes, frisches Loch. Damit ist meine letzte Hoffnung auf ein plötzliches Entrinnen durchkreuzt.
    »Ja«, bestätigt der Mann. Anscheinend hat er die Bewegung meines Kiefers wahrgenommen. »Den haben wir gezogen. Hast gedacht, wir wissen nichts davon, oder?«
    »Sie haben also davon gewusst?«
    »Vielleicht«, erwidert er. »Oder wir haben ihn einfach entdeckt.«
    Der Zahn war mit einem Hohlraum präpariert, der unter
einer drehbaren Keramikkrone verborgen lag. Dort habe ich eine meiner Septus-Tabletten als Notration aufbewahrt, für den Fall, dass sie mir unversehens ausgehen, dass mir das Döschen gestohlen wird oder dass der Wechsel scheitert. Oder dass ich in eine Situation wie diese gerate.
    Nun, so viel dazu.
    Ich hebe den Kopf. »Na schön. Was wollen Sie wissen?«
     
    In abgeschwächter Form habe ich diese Prozedur schon einmal erlebt. Damals war ich nicht mit Draht an einen Stuhl gefesselt, und es stachen mir auch keine grellen Lichter in die Augen. Aber es gab einen Stuhl und einen Mann, der mir Fragen stellte, weil offenbar etwas schiefgelaufen und zumindest ein Mensch gestorben war.
    »Hatten Sie keinen Verdacht?«
    »Was für einen Verdacht? Dass sie zu uns gehören könnte?«
    »Ja.«
    »Es ist mir in den Sinn gekommen. Ich …«
    »Wann ist es Ihnen in den Sinn gekommen?«
    »Als wir im Dogenpalast vor einer Weltkarte standen. Sie sagte so was wie, dass es nur eine Welt ist und ob ich das nicht begrenzt finde.«
    »Wie haben Sie darauf reagiert?«
    »Ich dachte, sie gehörte zu den Leuten vom Konzern, die dort zu Gast waren, jemand, dem ich zufällig noch nicht begegnet war, vielleicht erst später eingetroffen.« Wir waren wieder im Palazzo Chirezzia, dem schwarzweißen Palast am Canal Grande.
    »Sie haben sie nicht danach gefragt?«
    »Es hätte ja sein können, dass ich mich verhört oder sie falsch verstanden hatte. Wenn ich sie direkt gefragt hätte,
ob sie wach ist oder nicht, wäre das ein unnötiges Risiko gewesen, finden Sie nicht?«
    »Sie waren nicht neugierig?«
    »Doch, sehr sogar. Maskenball, geheimnisvolle Unbekannte, die Gässchen von Venedig. Spannender kann es ja kaum werden.«
    »Warum haben Sie den Ball mit ihr verlassen?«
    Ich lachte. »Weil ich dachte, dass sie mich vielleicht ficken will, natürlich.«
    »Kein Grund für eine anstößige Ausdrucksweise, Mr. … Cavan.«
    Ich

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