Welten - Roman
das Pult gebeugt, gegen die Tafel gepresst, auf dem Schreibtisch - statt mir einzuprägen, was sie uns erzählte. Andererseits gab ich mir größte Mühe, sie in den Seminaren mit tadellos recherchierten und umwerfend gut argumentierten Referaten zu beeindrucken. So glich es sich letztlich vielleicht wieder aus.
»Das hast du dir überlegt?« Ich merkte, dass sich ihre auf und ab gleitende Hand auf meinem Schwanz nicht mehr ganz nach vollkommenem Glück anfühlte, weil sie zu heiß und trocken wurde. »Und bist du schon zu einem Ergebnis gekommen?«
Sie ließ los und blies sich schwer atmend die Haare aus dem Gesicht. »Ja. Ich finde, du solltest mich jetzt ficken.«
Später saßen wir am Tisch, sie in ein Laken gehüllt, ich in meinem Hemd, aßen etwas und tranken Wasser und Wein.
»Ich habe nie gefragt. Gibt es eigentlich einen Mr. Mulverhill?«
»Bestimmt irgendwo.« Achselzuckend riss sie ein Stück Brot vom Laib.
»Vielleicht muss ich es anders formulieren. Bist du verheiratet?«
»Nein.« Sie blickte kurz auf. »Und du?«
»Nein. Dann … warst du also verheiratet.«
»Nein.« Lächelnd lehnte sie sich zurück und streckte sich wohlig. »Mir gefällt nur der Klang des Namens.«
Ich schenkte ihr Wein nach.
Mit gespreizten Fingern ließ sie die Hand durch die Kerzenflamme gleiten.
Madame d’Ortolan zupfte die Lilienblüte zurecht, bis sie genau richtig auf ihrer pink verhüllten Brust saß. Wir schlenderten auf den unebenen Steinplatten zwischen den anmutig aufragenden Gräbern und den fahl schimmernden Mausoleen hin und her. Die von liebevollen Händen hinterlassenen, inzwischen verwelkten Blumen in Vasen vor einigen Grüften kontrastierten mit dem grünen Gestrüpp aus unverwüstlichem Unkraut zwischen den Steinen.
»Mrs. Mulverhill ist abtrünnig geworden«, eröffnete mir Madame d’Ortolan. »Sie hat den Verstand verloren und sich einer Sache verschrieben, die offensichtlich auf das Bemühen hinausläuft, uns zu behindern. Sie hat ihre berühmte Fantasie dazu benutzt, um eine Theorie auszubrüten, die so irrsinnig ist, dass wir sie nicht einmal richtig begreifen. Auf jeden Fall vertritt sie die Meinung, dass wir einen falschen Kurs eingeschlagen haben, oder irgendeine Idiotie dieser Art und stellt sich uns entgegen. Das ist ärgerlich, da es Ressourcen bindet, die wir an anderer Stelle in viel heilsamerer Weise einsetzen könnten, aber wenigstens hat sie bisher keinen größeren Schaden angerichtet.« Sie warf mir einen Blick zu. »Das könnte sich natürlich ändern, falls sie in ihrer Frustration aggressiver wird oder andere für ihre Sache gewinnt.«
»Glauben Sie, dass Sie mich auf ihre Seite ziehen wollte?«
»Wahrscheinlich.« Madame d’Ortolan hielt an, und wir sahen uns in die Augen. »Haben Sie eine Vorstellung, weshalb sie ausgerechnet an Sie herangetreten ist?« Ihr Lächeln wirkte gar nicht so unecht.
»Warum, hat sie es denn nur bei mir probiert?«
Statt einer Antwort zog sie die Augenbraue hoch.
»Oder auch bei anderen? Und wenn ja, waren das alles Weltenwechsler?«
Madame d’Ortolan hob das Gesicht zum Himmel, die Hände im Rücken. Ich stellte mir die unbeholfen ineinandergefalteten plumpen Finger vor. »Es ist wohl kaum in Ihrem Interesse, die Antworten auf diese Fragen zu kennen«, bemerkte sie. »Wir würden nur gern erfahren, ob sie sich vielleicht aus einem besonderen Grund an Sie gewandt hat.«
»Vielleicht findet sie mich attraktiv.« Mein Lächeln war zumindest nicht ganz so unaufrichtig wie das meiner Gesprächspartnerin.
Sie neigte sich zu mir. Ein leichter Windstoß trieb mir einen Hauch ihres Parfüms in die Nase: blumig, aber nicht frisch, sondern unangenehm süßlich. »Meinen Sie sexuell?«
»Oder sie mag einfach mein sonniges Gemüt.«
»Oder Ihre Attraktivität beruht darauf, dass sie Sie als jemanden sieht, der leicht für ihre Sache zu gewinnen ist.« Madame d’Ortolans Lächeln war verschwunden. Mit unmerklich geneigtem Kopf taxierte sie mich. Ihr Ausdruck war nicht unfreundlich, aber gespannt.
»Ich kann mir nicht vorstellen, warum sie so was glauben sollte.« Ich nahm eine aufrechte Haltung an. Mit ihren Absätzen war Madame d’O genauso groß wie ich. »Ich darf wohl annehmen, dass ich nicht unter irgendeinem Verdacht stehe, bloß weil sich diese Dame an mich herangemacht hat.«
»Sie können sich nicht vorstellen, warum sie das getan hat?«
»Nein. Was weiß ich, vielleicht arbeitet sie sich in alphabetischer Reihenfolge durch
Weitere Kostenlose Bücher