Welten - Roman
wem erhalten Sie Weisungen? Außerdem würde ich gern erfahren, wo ich bin.«
Schweigen. »Ich denke, damit wäre der vorbereitende Teil unserer Untersuchung abgeschlossen.« In seinem Ton lag etwas leicht Fragendes, und ich hatte den Eindruck,
dass er den Kopf nach hinten zu jemand anderem gewandt hatte. Es folgte die unverständliche Antwort eines jüngeren Mannes. Dann sagte die Stimme des Verhörleiters leise: »Nein, das nennen wir Stressstufe null.« Wieder kam eine Bemerkung des Jüngeren, und die geduldige Erwiderung des Älteren wie die eines Lehrers an einen Schüler: »Ja und nein. Absolut im Hinblick auf die jeweilige Person. Aber Personen sind verschieden. Daher null. So erhält man Spielraum.« Ich fing an zu schwitzen. Der Mann räusperte sich. »Also gut.«
Ich hörte, wie er sich aus einem Stuhl erhob und auf mich zutrat. Mein ohnehin schon schneller Herzschlag wurde noch heftiger. Über den Betonboden schlängelten sich Schatten. Ich konnte den Mann jetzt hinter mir spüren. Das schmatzende Reißen von dickem Klebeband, das entrollt wurde. Er fasste nach vorn und schlang mir das Band über die Augen und um den Kopf, bis ich nichts mehr sah. Ich atmete kurz und flach, das Herz hämmerte in meiner Brust. Erneut ein Reißen. Den nächsten langen Streifen Band presste er mir auf den Mund und führte ihn wieder um den ganzen Kopf. Jetzt bekam ich nur noch durch die Nase Luft. Ich versuchte, mich zu beruhigen und langsamer, tiefer zu atmen.
Stell dir vor, du könntest jetzt einfach springen. Stell dir vor, der Gedanke würde reichen, um an einen anderen Ort zu gelangen. Genau, mal dir aus, dass du anders bist als all die hilflosen, todgeweihten armen Schweine, die in den vielen Welten und zahllosen Zeitaltern ohne die Hoffnung auf ein Entrinnen leiden mussten.
Wieder das knappe Knirschen von einem Stück Band, das heruntergerissen wurde. Ein ganz kurzes, schmales Stück Band.
Als er sich nach vorn lehnte, drückte seine bekleidete Brust gegen meinen nackten Rücken und meinen schwitzenden Kopf. Das Letzte, was ich roch, war das antiseptische Aroma seiner Hand. Nachdem er mit zwei Fingern meine Nase zugeklemmt und die Haut daneben mit einem Papiertaschentuch abgewischt hatte, klebte er das Band über die Nasenlöcher und strich es glatt.
Jetzt konnte ich gar nicht mehr atmen.
Kopfschmerzen. Starke Kopfschmerzen.
Eine Weile ist er sich nicht sicher, wo oben ist. Anfangs weiß er nicht mal so genau, was oben überhaupt heißt.
Druck. Druck auf einer Seite, auf der anderen nicht. Das erinnert ihn an etwas, und er bekommt Angst.
Er lag auf der linken Seite. Der Kopf war auf dem Boden, die Arme hingen schlaff herunter, die linke Seite trug das meiste Gewicht, das linke Bein berührte den Boden wie auch der rechte Knöchel und Fuß, das rechte Knie ruhte auf dem linken.
Wahrscheinlich wäre es eine gute Idee aufzustehen. Er muss aufstehen. Die Leute, die ihn unter Druck gesetzt haben oder ihn unter Druck setzen könnten, sind vielleicht in der Nähe und suchen nach ihm. An die Gründe kann er sich nicht mehr erinnern. Dann erkennt er staunend, dass er nicht weiß, wer er ist.
Er ist ein Mensch, ein Mann, und liegt hier mit geschlossenen Augenlidern auf diesem kalten Boden im Dunkeln. Er befiehlt seinen Augen, sich zu öffnen, und sie gehorchen widerstrebend.
Immer noch dunkel.
Aber mit ein wenig Licht. Ein weicher, grauer Schimmer irgendwo hinten. Schräg über den Boden fallende
Strahlen mit einer Ahnung von Grellheit, aber zum Glück weit weg.
Ein schwacher Luftzug weht. Ich spüre ihn auf der Haut. Ich merke, dass ich nackt bin.
Mühsam bewege ich meine Gliedmaßen. Ich bin dieser Er. Er ist ich. Ich bin der Mensch, der da aufgewacht ist, bin mir aber immer noch nicht sicher, wer er ist und ich bin. Dennoch fühle ich ein Ich-Bewusstsein. Was mein Selbst angeht, bin ich jetzt zuversichtlich, nur meinen Namen bekomme ich nicht zu fassen. Das Gleiche lässt sich über meine Geschichte und Erinnerungen sagen, aber auch das ist nicht so wichtig. Sie sind bestimmt da und werden zurückkommen, sobald es an der Zeit ist.
Wenn der Druck auf dieser Seite ist, dann müsste ich in die Höhe kommen, wenn ich stärkeren Druck ausübe, um der Schwerkraft entgegenzuwirken.
Ich übe Druck aus und stemme mich hoch.
Wackelig, zitternd. Schwer schnaufend. Der Atem geht flach und schnell, das Herz hämmert, plötzlich ein Gefühl von Panik, ein Schauer. Das Gefühl vergeht. Ich zwinge mich, langsamer und
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