Welten - Roman
hatte eine ziemlich exquisite Täfelung mit Intarsien aus Silber oder einem anderen Metall. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Sie saß hinter einem großen Schreibtisch. Als ich eintrat, machte sich gerade ein Computerbildschirm flach und versank in der Tischplatte. Sie stand auf und begrüßte mich, bot mir aber nicht die Hand an.
Dann winkte sie mich zu einem Stuhl vor dem Schreibtisch. Sie hatte einen merkwürdigen Anzug an, der aussah, als wäre sie mit schwarzen Bandagen umwickelt. Wirkte irgendwie sogar recht geschmackvoll, vor allem mit dem Schleier. Trotzdem eher, als wäre sie gerade vom Laufsteg gefallen und nicht in einer umgebauten Lagerhalle an einem der verseuchtesten Orte der Welt. Ich überlegte, ob
es vielleicht ein Strahlenschutzanzug war, hielt das aber für unwahrscheinlich.
»Sie sind Adrian?«
»Adrian Cubbish. Sehr erfreut.«
»Ich bin Mrs. Mulverhill. Schön, Sie kennenzulernen, Adrian.«
Wieder so ein verwirrender Akzent. Wahrscheinlich irgendwo hier aus der Gegend - Ukraine, Russland, Osteuropa. Allerdings auch eine Andeutung von Amerikanisch.Wir nahmen Platz.
Sie öffnete schon den Mund, doch ich kam ihr zuvor. »Nun, Mrs. Mulverhill, ich hoffe, Sie werden mir jetzt gleich erklären, warum ich hier bin, denn ansonsten ist das nur eine große Zeitverschwendung für mich, und ehrlich gesagt ist meine Zeit sehr wertvoll. Außerdem bin ich nicht gerade begeistert, dass man mich an diesen Ort geschleppt hat. Gibt’s dafür eigentlich auch einen Namen? Die Zone vielleicht? Keiner hat mich vorgewarnt, Sie verstehen schon. Klar, letztlich bin ich nicht gezwungenermaßen hier, weil ich freiwillig in den Flieger gestiegen bin. Aber wenn ich vorher erfahren hätte, wohin die Reise geht, dann hätte ich es womöglich gelassen. Rein rechtlich bewegen Sie sich da also auf heiklem Gelände. Wenn mir in den nächsten paar Jahren ein zweiter Kopf wächst, dann hören Sie von meinen Anwälten, das kann ich Ihnen versprechen.«
Zunächst wirkte sie überrascht, dann lächelte sie. Das Gesicht hinter dem Schleier hatte etwas Asiatisches. Vielleicht eine Chinesin, aber weniger flach, als man es von den Leuten dort kennt. Irgendwie dreieckig. Auch die Augen zu groß für eine Chinesin. Und die Wangenknochen zu hoch. Also vielleicht doch keine Asiatin. Mit mehr Licht oder ohne den Schleier hätte ich Genaueres sagen können.
»Sie haben nichts zu befürchten«, erwiderte sie. »Die Luft im Auto wird gefiltert, und die Luft hier drinnen ist gesünder als in einem Operationssaal. Der Staub an Ihren Kleidern und Schuhen wurde entfernt, bevor Sie eingetreten sind.«
Ich nickte. »Fürs Erste bin ich besänftigt. Aber nun zu meinem anderen Punkt: Warum bin ich überhaupt hier?«
»Vielleicht hat Mr. Noyce angedeutet, was wir zu bieten haben und was wir als Gegenleistung benötigen.«
»Er meinte, Sie zahlen gut und verlangen nicht viel. Zumindest nicht im Normalfall.«
»Das trifft die Sache recht genau.«
»Okay, fahren Sie fort.«
»Ich darf kurz die Grundlagen skizzieren, Adrian …«
»Sollten Sie mich nicht Mr. Cubbish nennen«, unterbrach ich sie, »wenn ich Sie mit Mrs. Mulverhill ansprechen muss? Oder möchten Sie mir lieber Ihren Vornamen verraten?« Bisher lief mir das alles offen gesagt noch viel zu sehr nach ihren Bedingungen, und ich wollte sie ein bisschen aus der Fassung bringen oder ärgern. Wie vernünftig das war, ist natürlich eine andere Frage, wenn man bedenkt, dass ich mitten in einem abgezäunten Niemandsland saß, wo niemand mit ein wenig Grips überhaupt hinwollte, nachdem ich in ein Flugzeug gestiegen und für die Leute daheim in England praktisch von der Bildfläche verschwunden war. Ich hatte mit keinem Menschen ein Wort gesprochen, und mein Handy hatte keinen Empfang.
Egal. Ich war einfach sauer, dass sie mich hierhergeschleppt hatten, auch wenn ich letztlich einen Nutzen davon haben sollte. Für wen hielten die sich eigentlich? Deshalb meine Aufforderung an sie, mich Mr. Cubbish zu nennen oder mir ihren Vornamen zu verraten.
»Nein.« Sie klang nicht im Geringsten beleidigt. »Ich möchte Ihnen meinen Vornamen nicht verraten. Mrs. Mulverhill muss reichen. Aber wenn es Ihnen nicht recht ist, Adrian genannt zu werden, kann ich Sie gern mit Mr. Cubbish ansprechen.«
Ich zuckte die Achseln. »Adrian ist schon okay. Wo waren Sie gerade?«
»Wir zahlen Ihnen ein monatliches Honorar und eine zusätzliche Jahresvergütung für Ihre Dienste als Berater und für andere
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