Weltenende (German Edition)
ablöste. Er änderte leicht den Kurs und zielsicher, wie er auch auf der Insel das Boot gefunden hatte, erreichten sie einen langen, hölzernen Steg. Lennart laschte das Boot an eine Holzklampe und ließ es ohne weitere Vorkehrungen liegen. Das Wasser war hier noch ruhiger als draußen bei der Insel. Ein sicherer Hafen war es nicht, aber sie würden, davon ging Jonas aus, nicht lange unterwegs sein.
Der Wa ld an diesem Ufer roch anders, nach Harzen und sehr viel erdiger als hätte es vor kurzem geregnet. Große Felsen wuchsen wie Pilze aus dem Boden und kaum dass sie ein paar Meter an Land waren, schimmerten Lichter durch die Zweige.
Es waren drei Hütten, in einer brannte Licht, in den anderen beiden nicht, vermutlich waren es Scheunen oder Ställe, denn der Geruch von Tieren lag in der Luft.
„Warte hier!“, raunte Lennart und er verschwand zwischen den Gebäuden. Jonas nahm gedämpfte Stimmen wahr, dann das Quietschen eines Tores. Lennart brauchte nicht lange, ehe er mit zwei riesigen Rössern mit langen Mähnen wieder auftauchte. Er schwang sich leichtfertig auf den Rücken eines Grauen und Jonas blieb eine weiße Stute, die näselnd auf ihn zukam.
„Muss das sein?“ , fragte er.
„Was meinst du?“
„Ich bin nicht gut im Reiten.“
„Ludwig sagt, du könntest das.“
„ Aha, wenn Ludwig das sagt, ist ja alles in Ordnung.“
Ehrfürchtig streichelte Jonas die lange Nase, die Nüstern blähten sich auf und das Pferd schnaubte leise. Er griff nach dem Sattel und musste sich schon anstrengen, seinen Fuß in den Steigbügel zu bekommen, der irgendwo auf der Höhe seines Bauches lag. Das Pferd tänzelte zur Seite und Jonas schaffte es nur mit Mühe sich nach oben zu ziehen. Er packte die Zügel, zog sie straff und versuchte das Tier zu beruhigen, wie Barney es ihm gezeigt hatte. „Lass sie ein wenig laufen, nicht zu dicht“, meinte Lennart und setzte sich in Bewegung.
Jonas bereute bei Barneys Reitstunden nicht besser aufgepasst zu haben, aber weder er noch Carl hatten besonderes Gefallen daran gefunden. Sie hatten es für einen Frauensport gehalten. Nicht ganz unschuldig daran war, dass sie beide vom Pferd gestürzt waren. Jonas brach sich damals den Arm und Carl das Bein, was lange nicht richtig verheilt war. Marie war die einzige von den dreien, die sich noch regelmäßig und mit Spaß auf ein Pferd setzte. Aber sie war ja auch ein Mädchen.
Jonas musste tun, was getan werden musste. Auf die eine oder andere Weise tat er das immer. Und er konnte sich schlimmere Dinge ausmalen als Reiten zu müssen.
Sie kamen auf einen Weg aus breiten Pflastersteinen, auf denen jede Hufe laut und scharf wie eine Trommel schallte.
„Ist es weit?“ , fragte Jonas laut.
„Nein, aber wir we rden einen kleinen Umweg machen müssen.“
„Warum?“
„Wie ich schon sagte, hier hat die Schlacht um Gut und Böse bereits begonnen und da vorne liegt das Schlachtfeld. Wir werden vielleicht näher heranmüssen, als uns lieb ist.“
„Aber die Siegel sind noch nicht gebrochen.“
„Es beginnt damit, dass die Sieben gerufen werden. Sie verlassen ihre angestammten Plätze und damit geraten die Welten aus den Fugen. Es beginnt hier und breitet sich über deine Welt aus.“
„Das steht nicht in der Bibel.“
„Das, was in der Bibel steht, darf man nicht zu wörtlich nehmen. Es hat sich über die Jahre des mündlichen Weitergebens verändert. Teile sind wahr, andere nicht, so ist das eben bei Überlieferungen. Aber Gott hat sehr genau festgelegt, wie es vonstatten gehen wird, und ich glaube nicht, dass es ein tausendjähriges Reich geben wird. Niemand, Jonas, wird verschont werden, vor dem jüngsten Gericht. Das was kommt, ist das Ende, ohne Hoffnung, ohne Ausweg, einfach nur ein endgültiges Ende von allem.“
„ Dann verstehe ich nicht, warum die Ombrage das Ende will?“
„Sie glauben, sie seien auserwählt und sie seien die, die das Ende überleben werden. Die sollten mal nachschlagen, was Ende bedeutet. Ein paar von denen wollen auch einfach das Ende, um Gottes Plan zu vervollkommnen, in der Hoffnung, es würde ihn gnädig stimmen, aber die anderen, die an ein Reich nach dem Ende glauben, das ist wirklich verrückt. Viele Dinge, die die Menschen glauben, machen keinen Sinn. Wer ein bisschen Verstand sein eigen nennt, der muss alles daransetzen, sie aufzuhalten.“ Lennart räusperte sich und sprach in einem weniger verbitterten Tonfall weiter. „Natürlich wird es an dir sein, das richtige zu tun, wie
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