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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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einer Frau geholfen, die im Eis eingebrochen war. Er war auf dem Weg nach Hause gewesen, als er am Löschweiher ein Knacken und anschließend Schreie gehört hatte. Es war fast völlig dunkel gewesen, als er das Loch erreichte. Die Frau war untergegangen, unter dem Eis eingeschlossen. Er hatte die Hand ins Wasser gestreckt und sie so selbstverständlich zu dieser Stelle befohlen, wie wenn er Brötchen beim Bäcker bestellte. Sekunden darauf hatte er den erschlafften Körper am Kragen packen können und mit seinen elf Jahren aufs Eis zurückgezogen. Dann waren andere Leute aufgetaucht und Jonas war gegangen. Es gab noch mehr Vorfälle, weniger drastische, aber seine Eltern hatten ihn nie ernst genommen deswegen, hatten geglaubt, er hätte nur eine blühende Fantasie oder schaue zu viel fern. Eine Weile später hatten sie ihn zu einem Psychiater geschleppt, was aber wenig geholfen hatte. Er sei hochbegabt, müsse zusätzlich gefördert werden, damit er sich nicht langweile. Erst im Sommer vor vier Jahren hatte Ludwig die Dinge aufgeklärt, auch wenn Jonas die Erklärung nicht wirklich gefallen hatte.
    Er lief zum Hafenmeister. Gustav Hartmann war ein Riese, zwei Meter groß, breit wie ein Scheunentor und steckte in einem Hemd und einer Hose, die so weit waren, dass die Bezeichnung Kutte nicht unangemessen schien, ein wenig Hippie ohne Rauch. „Wenn ich gewusst hätte, dass es deine ist, hätte ich sie vorbeigebracht“, sagte Hartmann in seinen Bart und gab Jonas die Jacke. Dann fragte er: „Wie kann man eine Jacke verlieren?“
    Jonas antwortete nicht darauf. „Was passiert jetzt mit dem vermissten Segler?“, fragte er.
    „ Merkwürdige Sache. Sie suchen natürlich nach ihm, wobei dessen Yacht mitten im Hafen lag und niemand konnte sich erinnern, dass er sich an der Rettungsaktion beteiligte. Er ist wie vom Erdboden verschluckt.“ Hartmann beugte sich vor, versicherte sich kurz, dass sie alleine waren, ehe er fortfuhr: „Seine Frau ist eine hysterische Person, vielleicht hatten sie Streit und er hat sich abgesetzt. Wenn ich die Polizei wäre, würde ich dieser Spur nachgehen.“
    „ Wir sind auf einer Insel, kein guter Ort zum Verschwinden“, wandte Jonas ein.
    Hartmann zuckte mit den Schultern. „Es wird sicher noch geklärt. Das war eine schlimme Nacht. Ich habe so etwas noch nicht erlebt“, sagte er, während er Papiere in die Ablage steckte. „Aber wir reihen uns nur ins Weltgeschehen ein. Hast du keine Zeitung gelesen? In Amerika wüten Tornados, wie seit Jahrzehnten nicht mehr, in Russland ist es kalt wie im schlimmsten Winter, in Italien regnet es sintflutartig und das ist nicht alles.“
    „Nein, ich habe nichts mitbekommen“, entgegnete Jonas. Es wurde Zeit zu gehen, dachte er, denn wenn Hartmann ins Plaudern geriet, dann hörte er so schnell nicht wieder auf.
    „Du bist noch jung , in deinem Alter habe ich auch keine Zeitung gelesen. Grüß Barney von mir. Ich erwarte ihn am Donnerstag zum Karten und er soll einen vollen Beutel mitbringen, am besten Geld, dass er nicht vermisst.“
    Sie spielten nur um Centstücke, soweit Jonas wusste.
     

KAPITEL VIII
    Ludmilla Hayek legte noch ein paar Stück Kohle nach und ließ sie alleine. Jonas warf seine Shorts und das T-Shirt auf die kleine Holzbank vor dem Eingang, schnappte sich eins der großen Handtücher und schlüpfte durch den dicken Vorhang ins Innere. Die Wärme schlug ihm entgegen wie eine Wand, aber unangenehm war es nur im ersten Moment. Der Schatten des Höllenhunds hatte ein Gefühl bohrender Kälte in seinen Knochen hinterlassen und vielleicht würde ihm hier wieder warm werden, dachte er.
    Carl kam herein. „ Scheiße, was ist mit dir passiert?“, fragte er erschrocken.
    Jonas zuckte mit den Schultern. „Deswegen wollte ich nicht herkommen.“
    „ Was zum Henker ...?“ Carl starrte auf die blaugrünen Flecken.
    „ Georg, gestern Abend.“
    „Wieso?“
    Jonas zuckte wieder mit den Schultern. „Weiß ich nicht.“
    „So ein Arsch. – Tut es weh?“
    Jonas schöpfte einen Löffel Wasser in den Ofen. Zischend stieg nach Kiefer und Hon ig riechender Wasserdampf auf und es wurde merklich wärmer in dem kleinen Raum.
    „Es geht.“
    Ursprünglich hatte man wohl auf dem Boden sitzen sollen, aber die Hayek hatte niedrige Kiefernbänke aufgestellt. Das offene Kohlefeuer verströmte einen scharfen Brandgeruch, der nur unzureichend durch das Loch in der Decke abzog. Es war so klein wie möglich gehalten, dass die Wärme nicht unnötig

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