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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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entwich. Immer wieder blähte sich der Vorhang an der Tür im Wind und jedes Mal fürchtete Jonas, jemand käme herein.
    „ Das sollten wir nicht auf uns sitzen lassen“, sagte Carl. Er schien sich persönlich angegriffen zu fühlen, was Jonas irgendwie schmeichelhaft fand.
    „ Wenn man so will, habe ich gewonnen, habe ihm in die Weichteile getreten“, antwortete Jonas schmunzelnd. „Ich glaube, ich täte gut daran, ihm aus dem Weg zu gehen.“
    „ Du hast keine Ahnung, warum er das gemacht hat?“, fragte Carl noch einmal. Jonas zuckte wieder mit den Schultern. Was sollte er auch sagen? Dass Georg ihn hatte daran hindern wollen das Unwetter aufzulösen? „Ich hätte nicht übel Lust, dass wir ihn uns noch mal zusammen vornehmen“, sagte Carl vehementer.
    „Du ähnelst immer mehr Barney“, entgegnete Jonas.
    „ Wieso? Mein Vater prügelt sich doch nicht.“
    „ Ach, vergiss es. Wir machen einfach gar nichts. Die Sache soll nicht aus dem Ruder laufen.“ Jonas wollte das Thema wechseln. Er räusperte sich. „Carl, du müsstest mir heute Abend vielleicht helfen.“
    „ Bei Georg helfe ich dir gern. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich auch noch die ein oder andere Rechnung mit ihm offen.“
    „ Nein, Unsinn, ich muss Ludwig treffen und ich weiß noch nicht genau wann. Du musst dafür sorgen, dass Fanny und Barney glauben, ich sei auf dem Zimmer.“
    „Sie lassen dich doch eh tun, was du willst.“
    „Ich weiß, aber ich will keine Fragen beantworten müssen. Ich weiß auch nicht, wann ich zurück sein werde. Kannst du das machen?“
    „Wenn du willst. Verrätst du mir auch warum?“
    „Vielleicht, aber nicht jetzt.“

KAPITEL IX
    Jonas stand vor dem geschlossenen Fenster und starrte nach draußen zur Zufahrt, obwohl er nicht davon ausging, dass er von dort kommen würde. Die Sonne war vor einer halben Stunde untergegangen und zwischen den Wolkenfetzen fiel das silbrige Licht des Vollmonds auf Rabensruh und tauchte Gras, Sträucher, Bäume und Häuser in ein schimmerndes Leuchten. Weiter unten im gelben Schein der Wohnzimmerfenster schlich Yoda zur Scheune. Erst seit dem späten Nachmittag funktionierte der Strom wieder.
    Jonas war nerv ös. Ludwig hatte sich nicht mehr gemeldet und ihm war nichts anderes übrig geblieben, als den ganzen Abend wartend im Zimmer zu sitzen. Es war immer später geworden, zumindest spät genug, dass niemand mehr nach ihm sehen würde und Carl war, weil Jonas ihm nicht verraten hatte, was er vorhatte, ein wenig sauer nach unten gegangen. Doch Jonas durfte nicht darüber reden. Es war ein Geheimnis.
    „Bist du soweit?“
    Jonas fuhr herum. Kein verräterisches Knacken der Dielen, kein leises Quietschen der Türscharniere, nicht einmal sein Atem hatten Ludwig verraten.
    „ Verdammt, wie bist du ... ich warte schon eine Ewigkeit“, zischte Jonas.
    „ Ich war auf dem Festland und die Fähre hatte Verspätung. Der neue Kapitän hat den Bogen nicht raus.“
    Ludwig schob die Zimmertür ins Schloss.
    „ Ich habe dich nicht gehört.“
    „ Ich bin durch die Tür gekommen.“
    Jonas glaubte ihm nicht. „Was jetzt?“
    „ Lennart weiß, was zu tun ist.“ Ludwig nahm das Kreuz von seinem Hals. Die Kette blitzte kurz im Licht der Schreibtischlampe. „Hier, nimm sie!“ Er hielt sie ihm hin. Jonas griff nach dem Kreuz. „Denke aber immer daran: Traue keinem, denn es gibt keine Regeln!“ Jonas nickte. Ludwig sprach einen kurzen Satz, worauf die winzigen steinbesetzten Enden aufleuchteten wie ein billiges Spielzeug, und ohne Vorwarnung spürte Jonas, wie er fiel. Es wurde schwarz um ihn, er wurde herumgerissen wie in einen Wasserstrudel. Die Luft wurde ihm aus dem Brust gedrückt und er wurde in die Tiefe gesogen, um gleich darauf wieder ausgespuckt zu werden. Er landete hart auf seinen Füßen, stolperte und stürzte rücklings zu Boden. Seine verkrampften Hände berührten nackte Erde. Es war kalt um ihn herum und es roch nach Schnee. „Ist es so schlimm einen vorzuwarnen?!“, fluchte Jonas und richtete sich auf. Ludwig war nicht mitgekommen. Er war alleine. Er befand sich im Wald auf einer kreisrunden Lichtung mit einer Hütte zwischen den Tannen, aus deren Fenstern keinerlei Licht fiel. Schnee bedeckte den Boden und Jonas fror so augenblicklich, wie er angekommen war. Seine Jeans weichten durch. Er war in der Anderswelt oder in der Orbis Alius, wie die Römer sie einst nannten, an anderen Orten hieß sie einfach nur Unterwelt, Hades oder auch Elysion. In der Welt,

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