Weltenende (German Edition)
es deine Aufgabe ist, und ich bete inständig, dass du nicht versagen wirst.“
Jonas wich im letzten Moment einem niedrigen Ast aus. „Aber ein endgültiges Ende macht eigentlich gar keinen Sinn. Was hätte ER davon?“
„Alles macht nur Sinn im Auge des Betrachters. Und was ER wirklich will oder denkt, da haben wir keine Ahnung. Falls du mit dem Gedanken spielst, irgendjemanden bekehren zu wollen, dann würdest du deine Zeit verschwenden. Die Ombrage ist sich ihrer Sache so sicher, wie man sich nur sicher sein kann.“ Lennart schwieg einen Augenblick, dann fuhr er bedächtig fort: „Die Apokalypse gehört zu Gottes Plan, das muss dir klar sein. Niemand kann wissen, ob und wann es nicht sogar sein Wunsch ist, dass sie stattfindet. Doch eines ist klar: früher oder später werden die Reiter über das Land ziehen. So war es seit Beginn aller Zeiten vorherbestimmt und so wird es auch kommen.“
„Also bist du für eine Apokalypse?“ Jonas war verwirrt.
„Nein , ganz sicher nicht, aber irgendwann verliert ihr. Man wird wohl allem überdrüssig und müde und alles sollte ein Ende haben. Das ist die Ordnung der Dinge, letztendlich auch der Welt als Ganzes.“
„Aber du bist in meiner Welt geboren und du bist in meiner Welt gestorben. Erinnerst du dich nicht daran?“
„Wie kommst du darauf, dass ich gestorben wäre? Ich müsste ein Geist sein, was ich nicht bin. Ich bin einer der Grauen, einer der, der zwischen den Welten wandelt und der zu keiner Seite gehört. Du stellst dir das alles viel zu einfach vor. Tod, Leben, Welt hier, Welt dort. Es gibt noch sehr viel mehr Orte wie diesen und noch viel mehr ... ich will sagen Zustände, die eine menschliche Seele erreichen kann, gleichfalls wie es auch viel mehr Kreaturen gibt, als du zu kennen glaubst.“
„ Was meinst du mit Kreaturen?“
„Dr achen, Gargoyls, Nymphen, Elfen, das meiste, was du aus Sagen kennst, existiert noch in verschiedenen Welten.“
„Aha. “ Jonas räusperte sich ungläubig.
„Du kannst ruhig skeptisch sein. Glaube nichts, was du nicht selbst gesehen hast, solange du mit allem rechnest!“
„ Also haben die Drachen nur die Welt gewechselt, sind weiter gezogen?“
„Alles kommt und geht, so wie es irgendwann das jüngste Gericht, Armageddon oder wie auch immer du es nennen willst, geben wird.“
„Wenn alles zu Ende geht, wa rum dann ein Gericht? Das spricht doch dafür, dass noch etwas kommt, vielleicht doch ein tausendjähriges Reich?“, fragte Jonas.
„ Gott wird uns richten. Eine letzte Abrechnung, ein Resümee, aber ganz sicher nicht für ein neues Reich. Womöglich wiederholt sich alles und ER bestimmt, welche Seele noch einmal mitspielen darf und welche nicht, oder aber er schafft einen Ort wie Himmel und Hölle, außerhalb aller Reiche und außerhalb aller Zeiten, wo wir dahindarben ohne Ende.“ Lennart seufzte. „Ich glaube auch nicht, dass ein Messias kommen wird. Das ist ein Konstrukt der alten Kirche, das die Menschen schön geschmeidig halten soll. Solange Angst und Hoffnung existiert, gehorchen die Menschen.“
Jonas war jung. Er hoffte inständig, dass Lennart sich irrte, denn die Welt so verbittert zu sehen, war zu düster, zu böse. Ein guter Gott hätte nicht so viel Verdammnis vorgesehen und in gewisser Weise war Jonas sicher, dass ER ein guter Gott war.
Lennart hob unvermittelt den Arm. Sein Pferd stoppte und Jonas Stute trottete noch ein paar Schritte weiter, ehe sie auf Jonas Zügel reagierte. „Pssstt!“, zischte Lennart. Er horchte in die Nacht und Jonas tat es ihm gleich, nur hören konnte er nichts.
Lennart gab mit den Lippen ein leises Säuseln von sich, ganz ähnlich dem Geräusch, das man macht, wenn man eine Katze ruft, und Jonas Stute folgte wie an der Leine gezogen hinter Lennarts her in den Wald. Jonas kämpfte gegen die Äste und Zweige, die ihn vom Pferd holen wollten, aber weit ritten sie nicht. „Sei ganz leise!“, raunte Lennart und griff nach dem Geschirr der Stute.
Gefühlt vergingen Minuten, bi s Jonas die Reiter hören konnte. Es musste ein Trupp sein, mindestens sechs oder acht, die in gestrecktem Galopp über die Straße jagten. Er spürte ein Zucken, dann Hitze in der Hand. Kurz darauf brannte das Zeichen unter der Haut wie Feuer. Es waren Männer der Ombrage.
„ Die suchen nach mir, oder?“, raunte Jonas leise.
„ Ja, das tun sie. Ich glaube, es war ein Centurio der Ombrage. Sie wissen, dass du hierher kommen wirst und sie waren sehr viel schneller, als ich
Weitere Kostenlose Bücher